Der Welt-Verbesserer

Ja, ich weiß, es gibt tausend gute Gründe, warum das mit Barack Obama nichts werden kann. Stimmt: Die Erwartungen an den Messias aus Illinois sind viel zu hoch, als dass ein Mensch ihnen gewachsen sein könnte.

Richtig: George W. Bush hat in aller Welt so viel Porzellan zertrampelt, dass man auch einem neuen US-Präsidenten in den meisten Krisenherden schwerlich Vertrauen entgegenbringen wird. Klar: Obamas einflussreiche Förderer in Wirtschaft und Gesellschaft wollen keinen Richtungswechsel, sondern allenfalls eine Modernisierung des Dinosaurier-Kapitalismus der letzten Jahre. Ohne Frage: Die kleinen Leute, die Obama gewählt haben, werden enttäuscht protestieren, wenn da nicht viel wird aus dem "New Deal" und der sozialen Gerechtigkeit, auf die sie warten. Sicher: Die Fundamentalisten, Kriegstreiber und Krisengewinnler in allen Ecken der Welt werden nicht das geringste Interesse daran haben, neue Friedens- und Konfliktlösungs-Strategien auch nur auszuprobieren. Zweifellos: Die Verbündeten werden zwar freundlich applaudieren, aber unauffällig unterm Verhandlungstisch verschwinden, sobald es darum geht, sich an den Kosten für die Schaffung und Durchsetzung einer neuen ökologischen Weltordnung zu beteiligen.

Kurzum: Es besteht eigentlich kein rationaler Grund, heute den Fernseher einzuschalten, mit einer gewissen Rührung die feierliche Inaugurations-Zeremonie zu verfolgen und sich dem wohligen Gefühl hinzugeben, der richtige Mann an der richtigen Stelle könne tatsächlich die Welt verbessern.

Aber als Martin Luther King 1963 vor dem Lincoln Memorial seine "I have a dream"-Rede hielt, hätte auch kein rational Denkender für möglich gehalten, dass gerade mal ein halbes Menschenalter später ein Schwarzer zum US-Präsidenten gewählt werden könnte. Als Gorbatschow seinen Öffnungskurs begann, wer hätte da einen Gedanken daran verschwendet, dass innerhalb von fünf Jahren der eiserne Vorhang verschwunden wäre? Vom letzten Atemzug Maos bis zur Eröffnung des ersten McDonald's in China vergingen keine 15 Jahre. Hätte irgend jemand 1976 darauf gewettet?

Die Welt ändert sich. Nicht immer zum Guten, aber auch nicht zwangsläufig zum Schlechten. Mit Obamas Amtsantritt verbindet sich die Hoffnung, sein Charisma könnte ein paar neue Wegmarken setzen. Und wenn die Vernunft offenkundig auf dieser Welt nicht in der Lage ist, Berge zu versetzen, schafft es ja vielleicht der Glaube.

d.lintz@volksfreund.de

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