Der XXL-Weg zur Reform

60, 35, 33 - bei der Bistumsreform dreht sich derzeit vieles um die Zahl der Pfarreien der Zukunft. Die noch größeren Herausforderungen liegen aber anderswo.

Sind Sie Katholik? Falls ja, ganz ehrlich: Wann waren Sie das letzte Mal im Gottesdienst? Wann haben Sie eine Kirche von innen gesehen - und zwar nicht nur zur Besichtigung? Und wie viele Menschen haben mit Ihnen gemeinsam gebetet?
Die Antwort auf solche Fragen führt zu einer Erkenntnis: Die katholische Kirche muss sich wandeln. Weniger Priester, weniger Gläubige, noch weniger unter ihnen, die Gottesdienste besuchen. Dazu eine Gesellschaft, in der Individualisierung eine größere Rolle spielt, und in der es - ganz banal - immer mehr Angebote zur Freizeitgestaltung gibt.
Das Bistum Trier hat reagiert. Bischof Stephan Ackermann rief 2012 eine Synode aus - die katholische Kirche in der Region machte sich gemeinsam auf den Weg. Und die Synodalen waren mutig. Sie haben viele Vorschläge gemacht - und die Weichen Richtung Großpfarreien gestellt. Die Zahl 60 stand das erste Mal im Raum. Das Ziel: begrüßenswert. Es ging darum, Strukturen zu etablieren, die auf Sicht bestehen können, die Freiheiten lassen, aber auch Sicherheit und Flexibilität bieten, stets das passende Personal vor Ort zu haben. Denn auch dies gehört zur Ehrlichkeit: Kommt es etwa derzeit zum Ausfall des Pfarrers vor Ort, sind meist alle überfordert. Gottesdienste fallen aus, Ansprechpartner fehlen, Vertretungen sind kaum zu finden. Die Kirche der Zukunft wird sich anders aufstellen, sie wird professioneller agieren, ihre Kräfte bündeln müssen. Und es wird keine Lösung geben ohne Konflikte, ohne durchaus nachvollziehbares Jammern, ohne Gläubige, die sich als Verlierer fühlen.
Neueste Entwicklung in dieser Woche: Die Zuschnitte der Pfarreien haben sich noch einmal geändert. Manche Bedenken sind aufgenommen worden, viele Änderungen sind nachvollziehbar. Doch in der Öffentlichkeit ist vor allem eines hängengeblieben: Aus einstmals 60 sind erst 35 und nun gar 33 Großpfarreien geworden. Ist es nun das Beharren auf dem aus eigener Sicht richtigen Ergebnis oder schlichtweg Borniertheit, die zum neuen Zuschnitt geführt hat? Auf jeden Fall ist die Außenwirkung gefährlich. Die Vorschläge führen - das zeigen erste Reaktionen - nicht zum Frieden in der Kirche. Die Unruhe bleibt. Zumal sich das Bistum in dieser Woche von Mediendirektor André Uzulis getrennt hat. Den schwierigen Job, nicht nur die Reform nach außen gut zu verkaufen, hat Judith Rupp übernommen. Ihr Vorteil: Sie muss sich nicht einarbeiten, ist schon Öffentlichkeitsexpertin im Bistum. Ihr Problem: Sie kann bisher - wie alle - die entscheidenden Fragen nicht beantworten: Wie viele Pfarrer bleiben in den Großpfarreien? Wo wohnen diese? Wo wird der Gottesdienst gefeiert?
Bisher haben der Bischof und sein Verwaltungschef, General vikar Ulrich von Plettenberg, stets betont, dass dies erst nach dem ersten großen Schritt geklärt werden kann. Doch der Ärger ist zu groß, die Kritiker sind zu laut, um die Probleme auszusitzen und abzuwarten: Sie müssen hier einen Umweg nehmen, zumindest erste Ansätze offenlegen. "Das synodale Prinzip bistumsweit verankern!" - diese Forderung ist ein Ergebnis der Synode. Diese gemeinsame Diskussion von Priestern und Laien, von Haupt- und Ehrenamtlichen muss jetzt - bei aller Unsicherheit über Strukturen - für die nächsten Themen starten. Wo kann ich in fünf Jahren zum Gottesdienst? Egal, wo sie sitzen, erreiche ich meine Ansprechpartner in den XXL-Pfarreien schnell, vielleicht gar unkomplizierter als bisher? Erst wenn der Bischof darauf gute und ehrliche Antworten findet, ist die XXL-Aufgabe Bistumsreform auf dem richtigen Weg.
t.roth@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort