Deutscher Minensuchhund

Die Leidenschaft, mit der die Türkei und auch in Deutschland lebende Türken die Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern abgelehnt haben, zeigt das eigentliche Problem. Der Nationalismus, der das entsetzliche Geschehen vor 101 Jahren ausgelöst hat, ist dort überhaupt nicht überwunden.

Diese tumbe Überheblichkeit gegenüber anderen Völkern. Dieses freche Leugnen von Fakten. Dieses Auf- und Vorrechnen von Toten.

Auf der anderen Seite ist es kaum anders, wie die fast triumphale Freude der Anhänger Armeniens zeigt. Das damalige Geschehen ist eine schwärende Wunde. Und man hat nicht den Eindruck, dass auch nur einer der Beteiligten ein Interesse daran hat, sie dauerhaft zu schließen.

Der Bundestag ist in dieser fast vergessenen Kriegsfront herumgetappt wie ein Minensuchhund und beim Wort Völkermord fündig geworden. Nun sind die Emotionen wieder los. Er durfte das zweifellos, denn Menschenrechte sind universell. Aber er musste nicht. Genauso gut hätte er die Ausrottung der südamerikanischen Indianer durch Spanier und Portugiesen anprangern können oder die Millionen Hungertoten des ukrainischen Holodomors im Jahr 1932, ausgelöst durch das damalige Sowjetreich. Der Hinweis auf die deutsche Mitverantwortung in der Causa Türkei ist eine schwache Begründung. Zumal der eigentliche Anlass, der 100. Gedenktag, schon im letzten Jahr war. Natürlich hat die deutsche Botschaft 1915 gewusst, was die Türkei da trieb, natürlich hat sie es hingenommen. Aber was wissen Diplomaten nicht sonst alles. Das ist kein Grund, sich in dieser herausgehobenen Weise einzumischen.

Dass der Bundestag es dennoch tat, ist auch dem Wirken einiger Abgeordneter mit Migrationshintergrund zu verdanken, die noch sehr in den Scharmützeln der Herkunftsländer ihrer Eltern gefangen sind und diesen Beschluss unbedingt wollten. Aber alle anderen machten gerne mit.

Die Resolution hat daher auch etwas Bekennerhaftes. In Sachen Aufarbeitung dunkler Geschichtskapitel, so die Botschaft, sind wir Deutschen eben die größten Experten. Ein Aufruf, der den Nationalismus in der Region angeprangert hätte, wäre konstruktiver gewesen als die Versteifung auf den Begriff Völkermord. Ein Verweis auf die deutsch-französische und deutsch-polnische Aussöhnung etwa. Er wäre von europäischen zu asiatischen Nachbarn auch sehr berechtigt gewesen.

Der Text hätte lauten müssen: Türken, Armenier, Griechen, schaut auf uns. Wir waren genauso dumm. Aber ohne Aussöhnung kein Friede, kein Wohlstand, keine Zukunft. Bekennt euch zu eurer Geschichte und blickt endlich gemeinsam nach vorn.
nachrichten.red@volksfreund.de

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