Diagnose Realitätsverlust

Der zurückgetretene Augsburger Bischof Walter Mixa ist inzwischen von allen guten Geistern verlassen. Bei seinem mehrwöchigen Klinik-aufenthalt in den Schweizer Bergen scheint Hochwürden die Höhenluft nicht bekommen zu sein.

Andernfalls wäre der 69-Jährige nach seiner Rückkehr erst gar nicht auf die Schnapsidee gekommen, wieder in sein altes Augsburger Domizil zu ziehen, sondern hätte sich eine neue Bleibe gesucht. Die zu finden, dürfte für einen ehemaligen Bischof ja nicht allzu schwierig sein. Aber weit gefehlt. Der Alt-Bischof zog wieder ins Augsburger Bischofspalais, als hätte es den Skandal um seine Person, Rücktritt inklusive, nicht gegeben. Eine bewusste Provokation, der Mixa jetzt sogar noch die Krone aufsetzt, indem er in einem Interview über den Rücktritt vom Rücktritt fantasiert und sich im Fegefeuer wähnt.

Nur zur Erinnerung: Nach anfänglichem Leugnen und wüsten Drohungen hatte Walter Mixa Mitte April eingeräumt, als früherer Pfarrer einer bayerischen Kleinstadt in den 70er Jahren Heimkinder geschlagen zu haben. Zudem wurden seinerzeit Stiftungsmittel von der örtlichen Pfarrei, der Mixa vorstand, satzungswidrig verwendet.

Beides Vorgänge, die schließlich zum Rücktritt Mixas führten, nachdem sich zuvor ein Großteil der Augsburger Katholiken und Kleriker von ihrem Bischof losgesagt hatte. Ein einmaliger Vorgang.

Wie muss es auf die Gläubigen vor Ort und in den übrigen deutschen Bistümern wirken, dass der 69-Jährige jetzt nicht zum ersten Mal versucht, sich von der Täter- in die Opferrolle zu flüchten?

Man kann fast Mitleid mit Walter Mixa bekommen, der längst auch unter akutem Realitätsverlust zu leiden scheint. Es ist höchste Zeit, dass die katholische Kirche diesem erbärmlichen Schauspiel endlich einen Riegel vorschiebt und der Augsburger Alt-Bischof aus dem Verkehr gezogen wird.

In anderen Fällen der Vergangenheit, bei denen katholische Priester aus dem Ruder liefen, ging dies schnell und geräuschlos. Im Fall Walter Mixa aber scheint die Kirche mit ihrem Latein am Ende zu sein. Auch ein Indiz für den augenblicklichen Zustand der Glaubensgemeinschaft.

r.seydewitz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort