Meinung Die Entscheidung des Martin Schulz

Berlin · Warum der SPD-Chef seinen Verzicht auf ein Ministeramt in einer neuen Groko erklären sollte.

Meinung: Die Entscheidung des Martin Schulz
Foto: k r o h n f o t o .de

Martin Schulz kann einem leidtun. Sein Aufstieg und Fall enthalten so viel menschliche Tragik, wie man sie in der deutschen Politik lange nicht mehr erlebt hat. Aber dass Martin Schulz, wie man derzeit in Berlin schon hören kann, nun sozusagen aus Mitleid Minister werden müsse, weil er doch so gelitten habe, das kann wohl nicht das entscheidende Argument sein. Zumal, und das ist die andere Seite, der Mann große Mitschuld an seiner eigenen Lage und der seiner Partei trägt. „Niemals große Koalition“ und „Niemals Minister unter Merkel“, diese beiden Aussagen hat nun einmal er getätigt und nicht irgendein Gegner. Schulz hat einen Imageschaden erlitten, so groß wie bei einem Auto, das beim Rangieren das halbe Parkhaus mitnimmt.

Würde Schulz Außenminister werden, würde man bei jedem Fernsehbild immer nur den Umfaller sehen, den Verleugner eigner Versprechen. Jedenfalls wäre das noch sehr lange Zeit der Fall. Ein zweites käme hinzu: Für Schulz müsste Sigmar Gabriel Platz machen, der sich als Außenminister bewährt hat. Man würde im neuen Außenminister Schulz deshalb auch immer den Brutus sehen, der für seine Karriere über politische Leichen geht. Wenn Schulz Finanzminister würde, wäre es kaum besser. Denn dann würde man denken, da versorgt sich einer mit einem wirklich wichtigen Amt und hat davon noch nicht einmal eine Ahnung.

Fazit: Als Minister kann Schulz seinen Imageschaden nicht beheben. Jetzt nicht mehr. Sondern nur noch als Parteivorsitzender ohne Kabinettsrang. Schulz hat theoretisch noch bis zum Ausgang des SPD-Mitgliederentscheides Zeit, über diese Frage nachzudenken, faktisch jedoch nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen nicht einmal mehr ein paar Stunden. Denn dann müsste seine Verzichtserklärung erfolgen. Sie wäre genau das notwendige Signal, um die zögernden, misstrauischen Genossen zu überzeugen. Es wäre die Aussage: Es geht mir nicht um mich, es geht mir um unser Land. Und damit die Sache auch für unsere Partei gut ausgeht, lasse ich mich nicht in die Regierungsdisziplin einbinden. Ich opfere meine Ambitionen dafür.

Ein solcher Schritt könnte die entscheidenden Stimmen an der Basis bringen. Und Schulz wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit verschaffen. Natürlich besteht die Gefahr, dass sich die Machtgewichte verschieben, wenn man „nur“ SPD-Vorsitzender ist. Hin zum Vizekanzler, wer auch immer das wird, oder zur Fraktionschefin Andrea Nahles. Das muss aber nicht so sein. Willy Brandt war auch Parteichef neben Kanzler Helmut Schmidt und nicht im Kabinett. Was er aus einer solchen Position macht, liegt an Schulz selbst. Wenn er es überzeugend macht, endlich mal überzeugend, ist eine spätere Beförderung in die Regierung oder nach Brüssel nicht ausgeschlossen.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort