Die Woche im Blick Die Folgen des Berliner Terroranschlags

Im Dezember 2016 traf der Terror Berlin. Ein Jahr später: Betonpoller sollen schützen, Gedenkveranstaltungen erinnern – wichtig ist aber vor allem, dass die Kritik der Betroffenen nicht verhallt.

 Chefredakteur Thomas Roth

Chefredakteur Thomas Roth

Foto: TV/Schramm, Johannes

In wenigen Tagen jährt sich der schwerste Terroranschlag eines Islamisten in Deutschland. Zwölf Menschen starben bei der LKW-Attacke in Berlin. Über 50 wurden verletzt. Es ist ehrlich, wenn der Beauftragte der Bundesregierung, Kurt Beck, zugibt, dass Hilfe für die Opfer nur begrenzt möglich sei. Menschen, die einen Freund, ein Familienmitglied verloren haben, können diese Leere niemals füllen. Sie können im besten Fall lernen, damit umzugehen. Und sie können zu Recht erwarten, dass ihre Kritik ernst genommen wird.

Etwa daran, dass die Angehörigen nach dem Anschlag tagelang Ungewissheit hatten. Die Identifizierung der Toten dauerte lange – obwohl diese meist Ausweise bei sich hatten, obwohl diese nicht im Gesicht entstellt waren. Becks Forderung, in solchen Fällen eine vorläufige Identifizierung möglich zu machen, ist nachvollziehbar.

Etwa daran, dass es zu Pietätlosigkeiten kam. Angehörige erhielten Rechnungen für Obduktionen. Fehler, die mehr als ärgerlich sind, aber nie ganz vermieden werden können. Wenn aber später Inkasso-Forderungen bei Angehörigen eintreffen, wird aus dem Ärgernis ein unverfrorenes Vorgehen.

Etwa daran, dass die Regierung nicht ausreichend auf den ­Terroranschlag reagiert habe. Missstände in Behörden kritisieren Angehörige in einem offenen Brief an Angela Merkel – und dass Reformen ausgeblieben seien. Ja, der Brief ist hochemotional. Er spricht dennoch wichtige Punkte an, und er ist nicht mit dem Allzweckargument vom Tisch zu wischen, Anschläge könnten nie ganz verhindert werden. Natürlich ist das so: Wenn etwa ein vorher unbescholtener Bürger ein Attentat begeht, gibt es wenig Chancen, dies vorherzusehen, sich vorzubereiten und dieses im besten Fall zu verhindern.

Doch bei Anis Amri handelte es sich um einen Mann, der als Gefährder eingestuft war. Um einen Mann, den die Behörden im Visier hatten. Das LKA in Nordrhein-Westfalen stellte bereits 2016 fest, „dass durch Amri eine terroristische Gefahr in Form eines Anschlages ausgeht“. Es schlug die schnelle Abschiebung des Tunesiers vor. Doch das Innenministerium sah keine Handhabe. Noch schlimmer: Die Strafverfolger und die Justiz verloren Amri aus den Augen. Einen Gefährder, der nach Sprengstoff recherchierte, der „im Auftrag von Allah töten“ wollte, und der Kontakte zu IS-Mitgliedern suchte. Ist das Staatsversagen? Zumindest ist es ein Behördenversagen, für das sich Beteiligte bei den Landeskriminalämtern von NRW und Berlin, aber auch beim Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum die Verantwortung zuschieben.

Und genau hier ist der Unmut nicht nur aus Sicht der Angehörigen zu verstehen: Ein Jahr nach dem Anschlag gibt es niemanden, der Verantwortung übernommen hat. Und es gibt zumindest ein vages Gefühl, dass Betonpoller und Polizisten auf Märkten für mehr Sicherheit sorgen sollen, dass Probleme beim Anti-Terror-Kampf aber immer noch nicht gelöst sind.

t.roth@volksfreund.de

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