Die Woche im Blick Krisenmodus als Dauerzustand

Wer hat eigentlich noch im Kopf, wie oft die große Koalition schon vor dem Aus stand? Gefühlt wöchentlich gibt es neue Forderungen nach einem schnellen Ende – und das ist das Ungewöhnliche: nicht aus Oppositionskreisen.

 Thomas Roth

Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

AfD, Grüne, FDP fallen kaum noch auf, wenn sie so etwas fordern.

Das übernimmt für sie ganz an der Spitze der Koalitionsparteien etwa schon der nicht mehr so starke bayerische Löwe. Horst Seehofer faucht regelmäßig und wird dann, wie in dieser Woche, plötzlich wieder brav und verständnisvoll. Wenn es etwa um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen geht, der in der Bild-Zeitung mit dermaßen wirren Aussagen zitiert wurde, dass sie zu Interpretationen, die Verschwörungstheorien Auftrieb geben, und zu Missverständnissen führen mussten. Und Seehofer? Setzt plötzlich zum Verteidigungsmodus an, gibt sich mit Relativierungen zufrieden, er wird zum zahmen Löwen.

An dieser Stelle kam dann die SPD ins Spiel. Zunächst wieder einmal der unverzagt die No-Groko-Kampagne weiterfahrende Kevin Kühnert. Der Juso-Chef versucht mit Verzögerung, doch noch die Koalition zu kippen. Er kämpft, gewollt oder ungewollt, auch gegen seine eigene Parteivorsitzende Andrea Nahles. Die gerät unter Druck, fordert Maaßens Entlassung und weiß nicht so recht, ob sie daran wirklich die Koalition scheitern lassen soll. Bisher sind große Worte, Drohungen und dann doch ein Weiter-so Markenzeichen dieser Koalition der Unwilligen.

Von der Generaldebatte bleibt fast nur die Diskussion um den richtigen Umgang mit der AfD haften – die greift selbst gerne ohne Rücksicht an, provoziert bewusst, inszeniert sich nun aber wieder einmal als unschuldiges Opfer. Eine lebendigere Debattenkultur hatten sich viele nach der Wahl erhofft, geblieben sind scharfe Auseinandersetzungen, bei denen es aber meist nur um die Wortwahl und ein Thema geht: die Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Und Angela Merkel? Zieht sich noch stärker zurück als bisher, sagt in Litauen, dass die Koalition nicht wegen der Diskussionen um Maaßen platzen wird, – erklärt aber nicht, wie sie zu dieser Einschätzung kommt. Gibt es denn zwischen ihr, Seehofer und Nahles längst eine Einigung über das weitere Vorgehen? Ist Maaßen gar zum Rückzug bereit? Es bleiben wieder einmal genügend Fragen offen, Raum für neue Spekulationen, Raum für neue Drohungen, Raum für neue Krisen.

Wie viele davon verträgt eine Koalition? Das ist mittlerweile die spannendere Frage, nicht mehr, wie viele es gab. Und vielleicht noch entscheidender: Wer sucht wen als Sündenbock, wenn die eigenen Ergebnisse anders ausfallen als erwünscht? In einem Monat wird genau das aller Voraussicht nach diskutiert werden. In Bayern erreichen derzeit CSU und SPD bei Umfragen fast wöchentlich neue Tiefststände. Und diese drohen nach der Wahl im Freistaat dem Koalitionsklima in Berlin ebenfalls.

t.roth@volksfreund.de

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