Die Woche im Blick Die große Niederlage

Trier · Die WM-Stimmung ist in Deutschland schnell am Boden – gab es sie überhaupt?

 Chefredakteur Thomas Roth

Chefredakteur Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Aus, aus, aus! Aus! Das Spiel ist aus! Aber diesmal ist es aus, ohne dass wir Grund zum Jubeln haben. 0:2 gegen Südkorea. Deutschland Gruppenletzter. Das Unvorstellbare ist geschehen.

Und schon ist die WM-Stimmung weg. Gab es sie überhaupt? Fahnen an den Autos gab es gefühlt weniger als in den Jahren zuvor. Und die Erwartung, dass es unbedingt mit dem Titel klappen muss, sie war ebenfalls kaum zu spüren. Schnell sind die Analysen da: Deutschlands Spieler satt, das ganze Land satt. Das Erste war deutlich zu spüren, das Letzte ist eine gewagte Interpretation. Denn eines ist doch richtig, selbst wenn es keinen wahren Fan tröstet: Es ging nur um Fußball, nur um Sport, nur um ein Spiel. Und der Blick auf die Titelverteidiger von 2010 und 2006 zeigt, wie schwer es ist, sich noch einmal zu motivieren. Italien und Spanien waren nach ihrem Triumph ebenfalls in der Vorrunde gescheitert.

Und doch ist das deutsche Aus ein besonderes. Noch vor einem Jahr schien Joachim Löws Team unschlagbar, den Confed-Cup gewann eine bessere B-Mannschaft. Ja, die vergangenen Monate zeigte sich: Die Nationalmannschaft quälte sich Richtung Russland. Immer wieder fiel das Wort Turniermannschaft, um sich in Sicherheit zu wiegen. Doch die Alarmsig­nale übersahen alle, die Konflikte in der Mannschaft wurden von stets charmanten, aber ebenso stets etwas glatten Funktionären wie DFB-Teammanager Oliver Bierhoff wegmoderiert. Der übersah ebenso wie Joachim Löw, welchen Wirbel Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit den Erdogan-Fotos ausgelöst hatten. Die beiden haben einen Fehler gemacht – und Bierhoff wollte sogar anderen den Mund zu diesem Thema verbieten. Basta – aus! Auch wenn er zurückruderte, als Krisen-Manager versagte der frühere Stürmer. Die Treffsicherheit ging ihm immer wieder verloren. Bei der Suche nach dem WM-Quartier ebenso wie bei der Reaktion auf schlechte Leistungen. Sami Khedira sagte etwa zu dem Treffen seiner Mannschaftskollegen mit Erdogan: „Das war ein Riesenthema und wurde unterschätzt.“

Um es deutlich zu machen: Der Umgang mit Özil gerade nach dem WM-Aus ist zum Heulen, Boulevardblätter fahren eine Kampagne, Rassisten kommen aus ihren Ecken und sehen in ihm den Alleinschuldigen für das Ausscheiden. Es ist widerlich. Dass Özil, geboren in Gelsenkirchen, spielte, entschied immer noch der Bundestrainer. Und in den entscheidenden Spielen gab es ein kollektives Versagen aller. Es war kein Aufbäumen zu spüren, keine Lust, das Spiel zu drehen. Bis zum Ende schienen sich alle immer sicher zu sein, dass spielerische Klasse sich durchsetzt. Fußball – noch so eine banale Weisheit – entscheidet sich aber immer noch auf dem Platz, nicht am Computer. Ballbesitz, Überlegenheit, Technik – all dies sind Randaspekte.

Nein, das hier wird kein Plädoyer, sich auf die angeblich deutschen Tugenden wie Kampfgeist zu konzentrieren. Vor allem, weil das keine nationalen Besonderheiten sind und waren. Aber es ist ein Plädoyer, auf Typen zu setzen, die sich trauen, Fehler zu machen. Querdenker im Fußball zu fördern, das ist ganz sicher richtig und wichtig. Spieler wie Portugals Ronaldo sind ganz sicher nicht jedermanns Sache. Er ist aber das Beispiel für jemanden, der selbstbewusst, einige würden sagen arrogant, immer an sich glaubt, der etwas wagt und Spiele entscheiden kann. Mehr Mut, das ist gefragt. Auch beim Umbruch, der nun beim DFB-Team ansteht. Ist Löw dafür der Richtige? Das ist zumindest anzuzweifeln. Gegen Mexiko von der Taktik des Gegners überrascht, später hilflos wirkend, wenn auch kämpferischer als mancher Spieler. Löw müsste sich neu erfinden, wenn er nun den Neustart erfolgreich gestalten will.

t.roth@volksfreund.de

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