Die leise Revolution

Kein Zweifel, das Elterngeld ist eine Erfolgsgeschichte. Mit der einkommensabhängigen Leistung des Staates wurde offensichtlich nicht nur der Kinderwunsch in deutschen Schlafzimmern beflügelt.

Dank des Elterngeldes kümmern sich auch immer mehr Väter um den Nachwuchs. Dass die Union diesen Triumph für sich verbuchen kann, gehört zu den Merkwürdigkeiten der Familienpolitik. Die Grundidee des Elterngeldes stammt schließlich von der SPD. Doch erst in der Großen Koalition wurde sie Wirklichkeit. Ursula von der Leyen hat es geschafft, das traditionelle Rollenverständnis in der Union kräftig durcheinander zu wirbeln. Von der alten Gewissheit, wonach der Mann fürs Einkommen zuständig ist und die Frau für die Kinder, ist auch bei erzkonservativen Zeitgenossen kaum noch die Rede. Das macht von der Leyen für die C-Parteien inzwischen so wertvoll. In der CDU-Ministerin personifiziert sich gewissermaßen der Zeitgeist für den Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die SPD ist hier weitgehend in die Rolle des Zuschauers gedrängt. Seit Renate Schmidt haben die Sozialdemokraten keine profilierte Familienpolitikerin mehr aufzubieten.

Die Mütter und Väter muss das weniger beunruhigen. Aber es ist schon ein deutlicher Fortschritt, wenn sich die familienpolitische Ausrichtung im Land nicht mehr grundsätzlich am Parteibuch scheidet. Familienpolitik hat heute einen ähnlich hohen Stellenwert wie die Wirtschafts- oder Finanzpolitik. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass Deutschland schon ein Paradies für Eltern wäre. Der Anteil der Väter, die zu Hause am Wickeltisch bleiben, ist im Vergleich zu den Müttern immer noch bescheiden. Und wer sich schon als Mann darauf einlässt, der kommt auf eine deutlich kürzere berufliche Auszeit als die Partnerin. Das hängt nicht nur mit Omas Familienbild zusammen. In kaum einem anderen entwickelten Industriestaat sind die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau so groß wie in Deutschland. Diesen Nachteil kann das Elterngeld sicher lindern, aber nicht ausgleichen. Hier offenbart sich das eigentliche Problem: In der Wirtschaft bricht sich der familiäre Trend nur langsam Bahn. Wenn Väter ihren Verzicht auf Elterngeld am häufigsten mit dem Hinweis begründen, eine Verkürzung der Arbeitszeit sei ihnen nicht möglich, dann zeugt das auch von einer mangelnden Flexibilität in den Produktionsabläufen vieler Unternehmen. Dass Männer wegen ihrer Kinder daheim bleiben möchten, hat sich dort noch nicht herumgesprochen. So ist das Elterngeld sicher kein Universalmittel, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Aber die staatliche Leistung motiviert und trägt zur positiven Veränderung der Gesellschaft bei. Ministerin von der Leyen spricht von einer "leisen Revolution". Es darf noch ein bisschen lauter werden.

nachrichten.red@volksfreund.de

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