Die mediale Schweinegrippe

All die ausgefeilten Pandemiepläne mit ihren streng festgelegten Entscheidungsabläufen sind Makulatur, wenn Eitelkeit und Panikmache zu regieren beginnen. Viele Neunmalkluge und Wichtigtuer, die die schwierige Entscheidung, eine Pandemie ausrufen und ihr vorbeugen zu müssen, selbst nicht treffen mussten, surfen auf der medialen Welle, die die Schweinegrippe vor sich hertreibt.

Sie verunsichern die Menschen.

Beispiel: Ein bekannter Virologe aus Halle meinte im Juli, die Pandemie sei nicht mehr zu stoppen, die Impfung komme zu spät. Es werde Tote geben. Anfang Oktober fand er, der von den Gesundheitsbehörden gekaufte Impfstoff sei der falsche, er habe zu viele Nebenwirkungen. Ende Oktober erklärte er, er selbst werde sich impfen lassen, die Nebenwirkungen seien doch nicht so schlimm. All das wurde veröffentlicht, teilweise mit großen Schlagzeilen. Auch der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler, immerhin Arzt, spielt nach vier Tagen im Amt schon mit im Verwirrspiel. Er meinte, dass die normale Grippe gefährlicher sei als die Schweinegrippe. Stimmt statistisch gesehen wahrscheinlich, aber gerade an diesem Wochenende ist erstmals eine Patientin an der Schweinegrippe gestorben ist, die keine anderen Vorerkrankungen hatte. Ein famoser Minister ist das. Er selbst lässt sich übrigens ebenfalls impfen.

Es wird großer Blödsinn erzählt, den man nur deshalb nicht unglaublich nennen kann, weil er geglaubt wird. Allen voran die These, die ganze Impfaktion sei eine Erfindung der geldgierigen Pharmaindustrie.

Dabei kann sich jeder ausrechnen, dass die Pharma-Industrie mehr von einem Ausbruch der Pandemie hätte als von ihrer Verhinderung - schon weil sie an den gleichermaßen verschreibungsfreien wie wirkungslosen "Grippemitteln" das meiste Geld verdient. Unter dem Strich bleibt zweierlei: Erstens der Appell an die Bürger, den Gesundheitsbehörden zu vertrauen, die keinen Grund haben und hatten, die Situation zu dramatisieren, als sie die Pandemie aus- und zur Massenimpfung aufriefen. Und zweitens der Appell, sich gerade in einer solchen medial aufgeheizten Situation sorgsam zu informieren und nicht schnellen Schlagzeilen zu folgen. Ganz besonders das Gespräch mit dem eigenen Arzt des Vertrauens ist jetzt wichtig, um Nutzen und Risiken einer Impfung wirklich abwägen zu können. Man sollte es nicht allzu lange aufschieben, denn die Grippewelle rollt. Die Entscheidung zur Impfung muss dann ohnehin jeder für sich selbst treffen.

nachrichten.red@volksfreund.de

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