Die Schulden-Uhr tickt immer kräftiger

Jeder weiß, dass die Mittel für die derzeitigen Konjunktur-Anschubhilfen des Staates nicht vom Himmel fallen. Der Bund muss sich von seinen ursprünglichen Schulden-Planungen verabschieden und neuen, teuren Realitäten ins Auge blicken.

Berlin. In der Berliner Zentrale des Bundes der Steuerzahler wurde gestern kräftig an der Schulden-Uhr gedreht: Zeigte sie bis eben noch eine gesamtstaatliche Verschuldungs-Geschwindigkeit von 474 Euro pro Sekunde an, so sind es jetzt 4439 Euro, also beinahe das Zehnfache. "Die Dimension der gegenwärtigen Verschuldungsorgie ist kaum zu begreifen", schimpfte Steuerzahlerbund-Chef Karl-Heinz Däke.

Dabei war auch der Großen Koalition klar, dass ihr jetzt geschnürtes Konjunkturpaket II eine bittere Kehrseite haben würde. Zuletzt waren im Bundeshaushalt für 2009 rund 18,5 Milliarden an neuen Krediten geplant. Nun geistern Beträge von bis zu 60 Milliarden Euro durchs Berliner Regierungsviertel. Von dieser Größenordnung geht nicht nur der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, aus, sondern auch die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel. "Allein durch solche Posten wie Steuer-Mindereinnahmen, Mehrausgaben für Langzeitarbeitslose und die Wiedereinführung der Entfernungspauschale kommen rund 35 Milliarden Euro neue Schulden zusammen", rechnete Scheel vor. Das Bundesfinanzministerium will die aktuellen Horrorzahlen weder kommentieren noch dementieren. Voraussichtlich am 27. Januar schlägt für Kassenwart Peer Steinbrück (SPD) jedoch die Stunde der Wahrheit: Zusammen mit den einzelnen Gesetzentwürfen zum neuen Konjunkturpaket soll an diesem Tag auch der Nachtragshaushalt für 2009 vorliegen.

Steinbrück wollte als größter Etat-Sanierer in die bundesdeutsche Geschichte eingehen. Das hätte wohl auch geklappt, wäre die Wirtschaftskrise nicht dazwischen gekommen. Ein Indiz dafür: Die Neuverschuldung des Bundes lag im Vorjahr "nur" noch bei 11,5 Milliarden Euro. 2011 sollte der Bundesetat ohne neue Kredite funktionieren. Doch nun droht Steinbrück das Etikett des Schuldenkönigs. Um zu retten, was kaum noch zu retten ist, verabredete die Koalition gleichzeitig mit dem Konjunkturpaket eine Schuldenbremse: Demnach sollen sich Bund, Länder und Gemeinden in normalen Zeiten nur noch mit Krediten von insgesamt 0,5 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts begnügen. Bei einem Abschwung darf es mehr sein, bei einem Aufschwung weniger. Beim Überschreiten bestimmter Schwellen muss das Parlament Konsequenzen in Form von Steuer-Erhöhungen oder Minderausgaben beschließen.

Gigantische Lawine

Während viele Bürger noch angestrengt rechnen, was ihnen das neue Konjunkturpaket bringt, droht sich die Staatsverschuldung zu einer gigantischen Lawine zu entwickeln. Dabei gibt es zur Aufnahme neuer Kredite zunächst einmal keine ernsthafte Alternative. Will der Staat das Banken-Drama eindämmen und die Wirtschaft wieder beleben, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als Milliarden in die Hand zu nehmen. Auch klingt es durchaus vernünftig, wenn sich die Bundesregierung gleichzeitig Gedanken über die Abtragung des riesigen neuen Schuldenbergs macht. Allerdings sind ihre Pläne eine Schönwetterveranstaltung. Erst wenn die Steuerquellen wieder kräftig sprudeln, soll es auch mit der Haushaltskonsolidierung wieder bergauf gehen. Das ist ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft. Springt die Wirtschaft nicht wieder an, dann sind nicht nur alle Träume über weitere Steuerleichterungen passé. nachrichten.red@volksfreund.de

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