Die wahre Mission der Athleten

Dann lasset die Spiele von Rio mal beginnen! Jetzt werden wieder Legenden geboren - so wie 1936 in Berlin, als der US-Amerikaner Jesse Owens sensationell viermal Gold gewann und von 100 000 Fans im Olympiastadion frenetisch gefeiert wurde. Jetzt werden wieder Freudentränen fließen - so wie 2008 in Peking, als der deutsche Gewichtheber Matthias Steiner bei Erklingen der Hymne nach seinem Goldmedaillengewinn das Foto seiner verstorbenen Frau in die Luft hielt.

Jetzt wird den Fans wieder der Atem stocken - so wie 1992 in Barcelona, als die erst 14-jährige Franziska van Almsick Silber über 200 Meter Freistil holte. Sport bedeutet Emotionen - und Emotionen lassen Menschen vergessen. Normalerweise. Denn bisher ist die Olympia-Vorfreude in Deutschland auf dem Nullpunkt. Zu groß ist die Enttäuschung über das Verhalten des Internationalen Olympischen Komitees rund um das offensichtliche russische Staatsdoping.

Die Enttäuschung ist berechtigt, aber sie trifft die Falschen. Athleten wie der Trierer Ruderer Richard Schmidt, die seit Jahren auf Olympia hinarbeiten, sich täglich quälen, um dann auf den Punkt genau fit zu sein, verdienen unsere Aufmerksamkeit und unsere Unterstützung.

Sport bedeutet Emotionen, und Emotionen lassen Menschen vergessen - das wird hoffentlich auch in den kommenden gut zwei Wochen so sein, bis Schmidt & Co. ihre Goldmissionen hoffentlich positiv vollendet haben. Doch auch nach der Abschlussfeier am 22. August geht die Mission der Athleten weiter - dann ohne sportliches, dafür mit einem sportpolitischen Ziel. Es ist eine Mission, die wichtiger ist als jede Goldmedaille.

Nach Olympia ist es an den Athleten, offen für einen fairen Sport und gegen die dubiosen Seil- und Machenschaften des IOC um Präsident Thomas Bach einzutreten.

Dann muss geklärt werden, warum sich das IOC derart geschickt darum gewunden hat, das russische Team - trotz klarer Doping-Beweise - von den Spielen auszuschließen und die Entscheidung an die einzelnen Sportverbände weitergereicht hat. Dann muss geklärt werden, warum die Leichtathletin Maria Stepanowa - die Russin, die derart viele wichtige Beweise in der russischen Doping-Affäre geliefert hat - nicht bei Olympia starten darf, während weitere fragwürdige russische Sportler in Rio antreten dürfen.

Das IOC hat durch sein Verhalten in den vergangenen Wochen die eigenen Werte verraten, falls es sie denn wirklich geben sollte. Diskuswerfer Robert Harting hat Thomas Bach und den Verband bereits heftig kritisiert - Hut ab dafür! Athleten können kein Recht sprechen - und auch niemanden verurteilen. Aber sie können das IOC durch Worte an den Pranger stellen, denn sie sind das Fundament des Verbands.

Aber nun lasset die Spiele von Rio erst einmal beginnen!

m.fritzen@volksfreund.de

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