Die Woche im Blick: Feiern, Mahnen, Verbinden

Die Mauer ist weg, die Mauern sind da. Am 3. Oktober gibt es Grund zur Freude und zum Nachdenken. Ein Blick zurück auf die Feierlichkeiten und nach vorne auf große Aufgaben.

Es war ein besonderer Tag der Einheit in diesem Jahr. Einerseits, weil uns die Feier näher war. Rheinland-Pfalz präsentierte sich mit Malu Dreyer an der Spitze als guter Gastgeber. Trotz des großen Polizeiaufgebots gab sich Mainz offen. Es war eine teils spektakuläre, oft aber passenderweise eher geerdete Feier. Nach leichten Startschwierigkeiten im Gottesdienst - der Umweg zum Tag der Einheit über die Arbeit Ehrenamtlicher etwa in Afrika war doch ein größerer - ging es um die Themen, die Menschen im ganzen Land bewegen.

Erwartet worden war eine Grundsatzrede von Frank-Walter Steinmeier. Dem Bundespräsidenten, der bisher fleißig und reisefreudig das Land repräsentierte, aber kaum eigene Akzente setzen konnte. Nun stand sein erster wirklich großer Auftritt an - knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl, die die Parteienlandschaft deutlich verändert hatte.

Steinmeier überzeugte, indem er das seit 1990 in unserem Land Geleistete lobte und dennoch vor den neuen Mauern in den Köpfen warnte. Mauern, die keineswegs immer zwischen den alten und den neuen Bundesländern verlaufen, sondern zwischen denen, die sich abgehängt fühlen oder Angst haben, etwas zu verlieren, und denen, die zufrieden und positiv in die nächsten Jahre blicken.

Der Bundespräsident betonte, dass der nächste Bundestag die Unzufriedenheit widerspiegeln werde, die sich in unserer Gesellschaft zeige. Und er schaffte es, dabei die richtigen Worte zu wählen. Endlich einmal jemand, der nicht von der Schuld am Erfolg der AfD sprach und alle Verantwortung von sich wies. Denn die Diskussion bekam schon absurde Züge. Da hatten - gerade aus Sicht der SPD - wahlweise die Medien oder die politischen Gegner für den Aufstieg der AfD gesorgt. Und da gab es - gerade aus Sicht der CDU - keine Fehler in der Flüchtlingspolitik zuzugeben, obwohl der Kontrollverlust 2015 und 2016 doch für alle spürbar war. Steinmeier schaffte den Spagat, darauf hinzuweisen, dass es einerseits eine Pflicht gibt, Menschen in Not zu helfen, und andererseits zu große Offenheit ein Land und seine Bürger überfordern kann.

Steinmeier überzeugte als Präsident für alle, selbst wenn er manche Floskel verwendete. Er überzeugte als Mahner, wenn er betonte, dass es keinen Schlussstrich bei der Verantwortung zur Geschichte unseres Landes geben darf - und dies für alle gilt, egal ob sie hier geboren sind oder neu nach Deutschland kommen. Und er überzeugte, wenn er auf die Bedeutung der Abgeordneten im Bundestag hinwies. Sie müssten Argumente gegen Parolen der Empörung setzen. Es bleibt hinzuzufügen: Sie müssen der Versuchung widerstehen, die AfD-Politiker und vor allem deren Wähler als eine Einheit des Bösen abzutun.

Dabei sind nicht nur Politiker gefordert, sondern auch etwa die Medien. Wobei die Bezeichnung "die Medien" der Vielfalt in unserem Lande nicht ansatzweise gerecht wird. Glücklicherweise gibt es eben nicht den von mancher Seite beschworenen "Einheitsbrei". Wir als Zeitung vor Ort versprechen Ihnen etwa, unsere Politiker kritisch zu begleiten, egal welcher Partei sie angehören. Unsere Politiker, weil wir alle sie gewählt haben (oder wählen konnten), weil sie uns vertreten, nicht, weil wir uns mit allem gemein machen, was sie tun.

Dabei ist aber die von Steinmeier angesprochene Ehrlichkeit wichtig. Nicht jedes Thema taugt für die große Empörung, und viele Entscheidungen können Politiker, egal wo sie tätig sind, gar nicht zur Zufriedenheit aller lösen. Egal, ob es die kleine Schule vor Ort ist, das Baugebiet nebenan oder die Kommunalreform. Wir werden versuchen, Ihnen stets zu erklären, welche Alternativen es gibt, was sich wirklich ändert und ob möglicherweise der Streit im Ton wesentlich lauter ausgetragen wird als es die Sache eigentlich verdient. Frank-Walter Steinmeier erinnerte am Tag der Einheit daran, dass es die Sehnsucht nach Heimat nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit, sondern vor allem auf die Zukunft gibt. In diesem Sinne werden wir für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, weiter Ihre Heimatzeitung sein.

<strong>thomas.roth@volksfreund.de

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