Diesmal schrödert Merkel rechtzeitig

Wem nutzt der US-Präsident im Wahlkampf?

Die Kanzlerin hat rechtzeitig die Reißleine gezogen. Die SPD wollte Trump zum Wahlkampfthema machen, wohlwissend, dass die meisten Deutschen den Mann für einen Fiesling halten. Merkel auch, doch ließ sie ihre Zurückhaltung erst fahren, als die deutsche und europäische Öffentlichkeit den neuen Präsidenten während seines Überseetrips aus der Nähe erlebt hatte, was das Vorurteil bestätigte: Der Mann ist ein Fiesling. Ihre Feststellung, dass die USA kein verlässlicher Partner mehr seien, ist da sogar noch vergleichsweise zurückhaltend. Doch die SPD, die nach dem Nein zum Irak-Krieg im Jahr 2003 schon drauf und dran war, es mal wieder so richtig schrödern zu lassen, hat diesen Knüller nun nicht mehr. Die Regierungschefin schrödert selbst, jedenfalls ein bisschen. Das Wahlkampfthema Trump ist damit eigentlich tot, und das muss allen gesagt werden, die jetzt noch versuchen, es durch immer schärfere Formulierungen anzuspitzen. Manche übersehen dabei, dass die USA erstens immer noch eine Demokratie sind, zweitens nicht nur aus Trump-Fans bestehen und drittens der wichtigste Partner Deutschlands und Europas bleiben. Wer denn sonst? Russland? China? Viel Vergnügen. Auch ein anderes Wahlkampfthema der Merkel-Gegner ist jetzt tot, mindestens muss es stark variiert werden: Die Kritik an der Nato-Verabredung, dass die Rüstungsetats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen sollen. Für Deutschland wären das fast 30 Milliarden Euro mehr. SPD-Kanzlerkandidat Schulz stellte die Rüstungsmilliarden in seinen Reden schon direkt den fehlenden Investitionen in den Schulen gegenüber. Kinder statt Kanonen. Nun aber lautet die gemeinsame Erkenntnis, dass Europa von den USA unabhängiger werden muss. Auch in der Sicherheitspolitik. Wer glauben machen will, dass das ohne die USA mit weniger Ausgaben geht, ist ein Illusionskünstler.
nachrichten.re@volksfreund.de

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