Digitales Teeren und Federn
Markus Lanz am heutigen Samstag eine bessere Quote einfährt als sonst? Deutschland spricht über den Moderator - wenn auch in diesen Tages meist nichts Gutes. Sein "Gespräch" mit Talkshow-Gast Sahra Wagenknecht war eine Frechheit, zumindest aber ein Musterbeispiel einseitiger Kommunikation. Trotzdem sind Internet-Kampagnen von Hetze oft nicht weit entfernt.
Lanz nannte es "nachhaken", andere würden Verhör sagen. Die Frau kam über weite Strecken schlicht nicht zu Wort. Auch Karin Göring-Eckhardt durfte schon einmal Ähnliches erleben. Bei der Grünen-Politikerin setzte Lanz ebenfalls alles daran, dass diese ihre Positionen nicht vertreten konnte.
Mancher Zuschauer links von der Mitte mag da angefressen sein. Schwamm drüber! Das politische Gewicht eines Markus Lanz hält sich in Grenzen. Und die beiden betroffenen Damen sind Politprofis, die wissen, was auf sie zukommt. Und die trotzdem die mediale Bühne ausgiebig nutzen.
Das Neue an der Causa Lanz ist die Form des Protestes gegen Fernsehprogramme. Einfach nur ab- oder gar nicht erst einschalten? Das scheint dem Zuschauer 2.0 zu wenig: Er zieht sich ungeliebte Sendungen erst rein und sie dann im Web durch den Kakao. Oder schlimmer: zettelt im Schutz der Anonymität und dank der Kampagnentauglichkeit von Twitter & Co. ein Kesseltreiben gegen beliebige Personen an - heute der, morgen die.
Dieses digitale Teeren und Federn, neudeutsch Shitstorm genannt, soll zum Machtinstrument werden, eine Art gigantische populistische Fernbedienung. Doch hier passt etwas nicht zusammen: die Irrelevanz einer verkorksten Unhaltungssendung und die hasserfüllten Tiraden vieler User.
Wenn der Shitstorm losbricht, muss man in der Lage sein, gedanklich auch mal die Spülung zu drücken. Der Satz stammt von - Markus Lanz. Der Mann hat zwar kein Benehmen, in diesem Falle aber recht.
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