Dringender Warnhinweis

Liebe Politiker, ich kann euer Problem ja verstehen. Nix kriegt ihr geregelt: Das Gesundheitssystem taumelt auf die nächste Pleite zu, die Rentenversicherung geht den Bach runter, die Dauer-Arbeitslosen kriegt ihr nicht mal bei Spitzenwachstum von der Straße, über Atomkraft könnt ihr euch so wenig einigen wie über die Bildungspolitik.

Und wenn ihr überhaupt mal was Wesentliches beschließt, hebt es das Verfassungsgericht wegen Qualitätsmängeln gleich wieder auf.

Da tut es dem Selbstbewusstsein gut, wenn man wenigstens regeln kann, wie krumm Bananen sein dürfen, wieviel Quadratmeter eine Eckkneipe haben muss, damit die Cousine vom Wirt beim Bedienen zugequalmt werden darf, oder wie viel Wein im Wein sein muss, damit er sich auch Wein nennen kann. Und dazu passt haargenau euer Kreuzzug gegen das Überraschungs-Ei.

Nicht, dass ich ganz persönlich ein Fan dieser Dinger wäre. Im Gegenteil: Sie bieten wenig Schokolade fürs Geld und dazu ein schnell dem Vergessen anheimfallendes Spielzeug, bei dessen Zusammenbau sich Elternteile, denen handwerkliche Begabung abgeht, fast zwangsläufig vor ihren Kindern blamieren. Aber das ist eine Frage für die Stiftung Warentest und nicht für den Gesetzgeber.

Klar: Es ist hypothetisch möglich, dass Kinder das dick in Plastik verpackte Spielzeug mit der Schokolade verwechseln. Es ist freilich auch schon passiert, dass Kinder durch den Klodeckel gefallen sind, weil ihr Hintern zu klein war. Wollen wir jetzt den amtlichen, zulässigen Radius der Klodeckel-Öffnung reduzieren oder wenigstens einen Warnhinweis für Eltern anbringen?

Wer weiß, was uns im Normenland Deutschland noch alles ins Haus steht, wenn die Politik sich mangels Erfolgen bei den wichtigen Fragen weiterhin darauf verlegt, Dinge akribisch zu regeln, mit denen halbwegs bei Trost befindliche Bürger auch ohne Vorschriften ganz gut zurecht kommen. Die Palette bietet endlose Möglichkeiten, und irgendeine gutmeinende Interessengruppe, die Abhilfe fordert, gibt es immer.

Aber, liebe Politiker, glaubt bitte nicht, dass ein Weisungs-Wust die Leute klüger macht. Den vernünftigen Umgang mit Risiken kann logischerweise nur lernen, wer auch mit Risiken konfrontiert ist. Zu viele Vorschriften hingegen machen blöd. Kinder, Erwachsene und sogar Abgeordnete.

d.lintz@volksfreund.de

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