Ein Desaster für den Einsatz

Umfassende Aufklärung ist das, was man von Verteidigungsminister Franz Josef Jung nach dem Bomben-Desaster von Kundus jetzt fordern muss. Vielleicht war alles nur eine Verkettung unglücklicher Umstände.

Aber vielleicht war es auch Leichtfertigkeit. Vielleicht herrscht unter den deutschen Soldaten schon das Denken vor, dass, wo gehobelt wird, auch Späne fallen.

Jung hat mit seiner Informationspolitik Anlass für Fragen gegeben, zuletzt mit seiner Rechtfertigung, der "überwiegende Teil" der Personen an den zerstörten Tanklastzügen seien Taliban gewesen. Bei welcher Prozentgrenze muss der Anteil von Unschuldigen liegen, ehe die Bundeswehr ihr Leben respektiert?

Gerade weil es seine moralische Überlegenheit ausmacht, muss der Westen sich damit auseinandersetzen, wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen - ob aus Versehen oder aus Leichtfertigkeit. Unschuldige zu töten, das ist das explizite Ziel von El Kaida. Siehe New York, siehe London, siehe Madrid!

Und es ist auch das Herrschaftsmuster der Taliban. Den Fahrern der Tanklastzüge schnitten sie bei der Entführung kurzerhand die Kehlen durch. Um das Zurückdrängen dieser Menschenschlächter geht es genau in Afghanistan. Der Zwischenfall erhöht schlagartig das Unbehagen über einen Krieg, der geografisch fern ist und dessen Anlass, die Anschläge von New York, ebenfalls immer weiter wegrückt. Und weil ein Erfolg im ursprünglichen Sinne - die Demokratisierung Afghanistans - kaum noch erzielbar ist, wächst nun der Druck, über einen Rückzug nachzudenken.

Das ist tatsächlich notwendig. Schon, weil eine Armee verroht, je länger sie einen Krieg führt, je mehr Tod sie bei sich selbst gesehen und anderen zugefügt hat. Aber es ist töricht, wie Altkanzler Schröder, der Urheber der uneingeschränkten Solidarität mit Amerika, jetzt einseitig einen Abzugsterm im Jahr 2015 festzulegen. Dann müssten Taliban und El Kaida nur noch in Ruhe abwarten und könnten ihr Terrorregime wieder installieren.

Noch törichter und gegenüber Millionen unschuldiger Afghanen höchst unmoralisch wäre es, den islamistischen Mördern das Land sofort kampflos zu überlassen, wie es die Linke fordert. Vielmehr müssen für die afghanischen Sicherheitskräfte konkrete Ziele und Zwischenziele definiert werden, also für jede Region des Landes Zeitpunkte, in denen sie die Kontrolle übernehmen. Und zwar schneller als bisher geplant. In dem Maß, wie diese Ziele erreicht werden, können sich die Alliierten zurückziehen. Vorher nicht.

nachrichten.red@volksfreund.de

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