Meinung Ein Tollhaus

Die neuen Enthüllungen im Abgasskandal.

 Hagen Strauß

Hagen Strauß

Foto: k r o h n f o t o .de

Die deutsche Autoindustrie wirkt derzeit in Teilen wie ein Tollhaus. Einst Vorzeigebranche, weil Job- und Innovationsmotor, fallen einige der Hersteller und ihre Führungskräfte seit mehr als zwei Jahren nur noch mit Negativ-Schlagzeilen auf. Und ist der Ruf erst ramponiert…

Jetzt also ein neuer Sprung auf der nach oben offenen Dieselskandal-Skala: Nicht nur mit Affen, sondern auch mit Menschen soll experimentiert worden sein, um zu beweisen, dass die Schadstoffbelastung dank angeblich moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen habe. Man könnte auch sagen, um die eigenen Betrügereien zulasten der Verbraucher unter einem wissenschaftlichen Deckmantel zu verbergen. Ethisch und moralisch ist das Vorgehen absolut verwerflich. Es ist schlichtweg pervers.

Das Ausmaß des Dieselskandals kommt seit Jahren nur scheibchenweise ans Tageslicht, echten Aufklärungswillen und Transparenz der Branche sucht man zu oft vergebens. Und immer wird mit dem Finger auf andere gezeigt, auf übereifrige Ingenieure oder wie jetzt auf vielleicht wild gewordene Forscher. Nur ganz oben in den Vorstandsetagen ist man sich keiner Schuld bewusst und will von alledem nichts gewusst haben. Dabei hat schon der Untersuchungsausschuss des Bundestages in der letzten Legislaturperiode herausgefunden, dass bei der Manipulation von Abgaswerten zum Teil planmäßig und im großen Stil vorgegangen worden ist.

Insofern wirken auch die vom Regierungssprecher mitgeteilte Empörung der Kanzlerin und die Einlassung des Verkehrsministeriums lächerlich. Denn mehr als markige Worte haben Angela Merkel und Alexander Dobrindt bislang nicht zu bieten gehabt. Das berühmte Softwareupdate als bisher einzige Konsequenz aus dem Dieselskandal lässt grüßen. Wenn es aber um Wiedergutmachung und Entschädigung für deutsche Autofahrer geht, sucht man bei der Bundesregierung vergeblich nach Elan. Anders übrigens als in den USA. Dort wird mit VW & Co ganz anders umgegangen. Weil die Rechtslage für den Verbraucher eindeutig besser ist.

Eines ist doch klar: Die Automobilindustrie lebt ganz besonders vom Vertrauen in ihre Produkte. Weil das Auto nun mal des Deutschen liebstes Kind ist. Dieses Vertrauen ist zutiefst erschüttert. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der es eben nicht nur um Vergangenheitsbewältigung geht, sondern auch um gigantische Zukunftsaufgaben, vor denen die Branche steht. Stichworte sind das autonome Fahren oder der Umstieg auf das Elektroauto. Um hier erfolgreich zu sein, braucht es Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Doch wie soll die Öffentlichkeit Vertrauen in Konzerne und ihre Produkte haben, den Weg der Erneuerung also mitgehen, wenn mit Tieren und Menschen experimentiert wird, nur um ein paar Stinker mehr zu verkaufen? Man muss kein Experte sein, um zu wissen, dass das nicht funktioniert. Vor der Autoindustrie liegen noch schwere Jahre. Sehr schwere.

nachrichten.red@volksfreund.de

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