Meinung Ein Urteil mit Symbolkraft

Berlin · Die Leipziger Richter setzen mit ihrer Entscheidung zu Diesel-Fahrverboten ein erstes Zeichen – mit nur äußerst begrenzter Signalwirkung.

Meinung: Ein Urteil mit Symbolkraft
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Im Verkehrsbereich funktioniert der Ausgleich der Interessen schon lange nicht mehr: Der motorisierte Verkehr, ob mit PKW oder LKW, hat sich immer mehr ausgebreitet. Die negativen Folgen für alle, die außerhalb der klimatisierten Wagen sitzen, werden komplett ausgeblendet. Das Leipziger Urteil setzt nun an einer winzigen Stelle – nur beim Diesel, nur beim Stickoxid und nur in einigen Städten – wenigstens das geltende Recht durch. Mehr nicht.

Das ist keine grüne Revolte. Und trotzdem ist das Wehklagen groß. Denn das Urteil trifft auf acht Jahre Rechtsbruch, absichtsvoll begangen von der Industrie, durchaus wissend hingenommen von vielen Diesel-Fahrern, großzügig toleriert vom Staat. Die Schuldigen an der Lage heißen nicht nur Winterkorn und Stadler, sondern auch Dobrindt, Merkel und Gabriel.

Man kann die Anwohner und Umweltinitiativen nur aufrufen, den Zipfel des höchstrichterlich gesprochenen Rechts jetzt nicht mehr loszulassen und ihren Gesundheitsschutz konsequent einzuklagen. Das Chaos, das durch Fahrverbote entstehen wird, ist begrenzt. Auf wenige Städte und wenige Straßen; ohnehin werden solche Verbote kaum kontrollierbar sein. Dafür hat die Bundesregierung gesorgt, die die Einführung einer blauen Plakette verweigert hat. Sozusagen als vorsorgliche Beihilfe zum Regelverstoß. Der eigentliche Schaden liegt ohnehin nicht im massenhaften Ausbremsen von Mobilität, außer vielleicht bei manchem Handwerker, der nicht auf die S-Bahn ausweichen kann. Der Schaden liegt in der Entwertung der Fahrzeuge für ihre Besitzer. Und in der Entwertung der Diesel-Technologie für die Hersteller. Es geht bei dem ganzen Geschrei letztlich nur ums Geld. Um Geld gegen Gesundheit.

Eine Nachrüstung wäre die einfachste Möglichkeit, um das Problem schnell zu lösen. Aber sie ist den Firmen zu teuer, weswegen sie schon jetzt nach Staatsunterstützung rufen. Die Rede ist von Konzernen, die satte Gewinne machen. Sie sind in der Pflicht, die Kosten ganz oder wenigstens überwiegend zu übernehmen. Eine Staatshilfe hierfür wäre absurd. Der Staat braucht sein Geld für Sinnvolleres: öffentlichen Nahverkehr,  Radwegeinfrastruktur, Förderung alternativer Antriebe.

Denn die Stickoxidbelastung ist ja nur ein Aspekt des alltäglichen Verkehrswahnsinns. Die Verluste an Lebensqualität in den Städten, die Zerstörung von Natur, die Gefahren für die Schwächsten, der Feinstaub, der Ressourcenverbrauch, der Lärm – all das ändert sich überhaupt nicht. Das Urteil ist ein Ausrufezeichen. Es sagt: Es kann nicht einfach ungehemmt so weitergehen. Das unzweifelhaft bestehende Recht auf Mobilität muss anders gelöst werden. Intelligenter und sauberer.

nachrichten.red@volksfreund.de

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