Eine Chance für die SPD und Schäuble

Die SPD hat im letzten Wahlkampf eine Reform der "Kalten Progression" im Steuerrecht abgelehnt - mit dem Argument, dafür fehle das Geld, und falls es da sei, brauche man es für anderes: für Bildung, Infrastruktur und Schuldenabbau. Ein bisschen war die Kalte Progression auch die Geisel der Sozialdemokraten im Kampf um höhere Spitzensteuersätze und die Belastung der Vermögenden, was freilich eine fatale strategische Schieflage heraufbeschwor.

Denn so strafte die SPD die eigene Kernwählerschaft, die Facharbeiter, dafür, dass die CDU einer höheren Belastung der Reichen nicht zustimmte.
Nun aber haben selbst die Gewerkschaften entdeckt, dass es weder richtig noch gerecht sein kann, wenn ihre Mitglieder mit jeder Lohnerhöhung in höhere Steuerklassen rutschen und netto kaum von der Stelle kommen. Wenn der Spitzensteuersatz schon bei 52 882 Euro Jahreseinkommen beginnt, während für die Bestverdiener in den Spähren darüber die Belastungsquote niedriger wird. Die SPD sollte ihre alte Position also schnellstmöglich aufgeben, ehe sie die einzige Steuersenkungsverhinderin in Deutschland ist.
Außerdem ist die Situation wegen der sprudelnden Einnahmen gerade günstig. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der schon lange sagt, er wolle eine Reform, sie aber nie angeht, kann die Gelegenheit nutzen, um den bisherigen Eindruck mangelnder Entschlossenheit zu verwischen. Indem er nun ganz schnell einen konkreten Gesetzentwurf vorlegt. Am besten einen Vorschlag, bei dem die Steuerstufen automatisch in regelmäßigen Abständen an die Inflation angepasst werden (rollender Tarif), damit sich diese elende Diskussion nicht ewig wiederholt.
nachrichten.red@volksfreund.de

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