Eine Einigung zu Lasten Dritter

Mit dem überraschend schnell gefundenen Kompromiss bei der Finanzierung der künftigen Gesundheitskosten wirft die Union einen Kernbestandteil ihres neoliberalen Gedankenguts über Bord. Auf dem Leipziger Parteitag vor nunmehr zehn Jahren hatten sich die Christdemokraten erstmals für einkommensunabhängige Kopfpauschalen stark gemacht.

Schon wegen der komplizierten Materie war das Projekt später aber nur bruchstückhaft in die Tat umgesetzt worden. Seit gestern ist es nun beerdigt. Der Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen erheben können, wenn sie mit dem Geld aus der zentralen Verteilungsmaschine namens Gesundheitsfonds nicht auskommen, wird vom Versicherten künftig nicht mehr durch einen festen Euro-Betrag, also pauschal beglichen, sondern prozentual vom Lohn. Damit sind die Kosten wieder gerechter zwischen guten und weniger guten Einkommen verteilt. Ein Erfolg, den sich die SPD auf die Fahne schreiben kann.

Allerdings gibt es auch eine Kehrseite. Denn es bleibt bei der Festschreibung des bisherigen Arbeitgeberanteils am allgemeinen Krankenkassenbeitrag. So wollte es die Union im Interesse der Wirtschaft. Im Klartext bedeutet das aber: Alle künftigen Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen müssen einseitig von den Arbeitnehmern geschultert werden. Vor diesem Hintergrund hat der Erfolg der SPD dann doch einen sehr bitteren Beigeschmack. Ihr Konzept der Bürgerversicherung, wonach die Finanzierung auf eine möglichst breite Basis gestellt werden sollte, löst sich damit jedenfalls in Luft auf.

Sicher, viele Versicherte mögen jetzt einwenden, was geht`s mich an, ich zahle doch gar keine Zusatzbeiträge. Das stimmt. Aber bei diesem schönen Zustand wird es nicht mehr lange bleiben. Die durch den Gesundheitsfonds ungedeckten Mehrkosten sind bereits absehbar. Und das sogar in zweistelliger Milliardenhöhe. Wenn durch die Zusatzbeiträge wenigstens ein echter Wettbewerb zwischen den Kassen um mehr Qualität und hochwertige Angebote in Gang kommen würde.

Doch genau das ist leider nicht zu erwarten. Denn wenn der allgemeine Beitrag - wie gestern ebenfalls beschlossen - deutlich sinkt, werden selbst jene Kassen einen Extra-Obolus erheben müssen, die wegen ihrer prächtigen Finanzlage bis jetzt noch Prämien ausgeschüttet haben. Ein Zusatzbeitrag aber, der für alle Kassen ein bisschen mehr oder weniger gilt, wird das Gesundheitssystem nicht revolutionieren. Am besten wäre es gewesen, jede Kasse hätte die gesamte Beitragshöhe fortan wieder allein für sich bestimmen können. So aber haben Union und SPD am Ende zwar irgendwie ihr Gesicht gewahrt. Doch es ist eine Einigung zu Lasten Dritter, nämlich der Versicherten.

nachrichten.red@volksfreund.de

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