Eine Nummer zu groß

Der Klageweg gehört zu den demokratischen Grundrechten in unserem Land. Ob der Gang zum Gericht auch immer sinnvoll ist, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Der Sozialverband VdK will jetzt wegen "grundrechtswidriger Zustände" im deutschen Pflegesystem nach Karlsruhe ziehen. Von "systematischen Grundrechtsverletzungen" ist die Rede - und davon, dass die Menschen endlich "in Würde altern können" sollen.
Mit Verlaub, geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Die Einführung der Pflegeversicherung vor 20 Jahren war ein Meilenstein in der Geschichte des deutschen Sozialstaats. Allerdings handelte es sich von Anfang an um eine Art Teilkasko. Denn auch die Kosten für die Beitragszahler sollten sich im Rahmen halten. Der VdK tut jedoch so, als sei es ein Rundum-Sorglos-Paket. Und weil das nicht so ist, rückt der Verband die Zustände in deutschen Pflegeheimen mit seiner Rhetorik in die Nähe einer Bananenrepublik. Ja, es stimmt, angesichts der rasanten Alterung ist das deutsche Pflegesystem noch längst nicht zukunftsfest. Demenzkranke sind immer noch benachteiligt, weil geistige Gebrechen im System weniger Berücksichtigung finden als körperliche. Und es ist leider auch wahr, dass die Politik viel zu langsam auf den Reformstau reagiert. Nur, was könnte eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht daran entscheidend ändern? Zumal ja kein konkretes Gesetz Stein des Anstoßes ist - so wie einst jenes über die unzulänglichen Hartz-IV-Sätze für Kinder. Deshalb gibt es auch Zweifel, ob Karlsruhe die Klage überhaupt annimmt. Und wenn doch, dann dürften Jahre bis zu einem Urteil vergehen.
Notwendige Verbesserungen in der Pflege gehören auch weiterhin angemahnt. Aber an die Adresse der Regierung und nicht der Richter.
nachrichten.red@volksfreund.de

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