Einsamkeit als Herausforderung

Wer mitten im Berufsleben steht, verheiratet oder in einer anderen Form liiert ist, Kinder hat, die zu Hause wohnen, der kann sich nicht vorstellen, dass eine Kaffeefahrt eine attraktive Freizeitbeschäftigung sein kann.

Denn alle seriösen Medien warnen seit Jahren vor unseriösen Anbietern solcher Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer in Bussen in irgendein abgelegenes Gasthaus gekarrt, mit schlechtem Essen bewirtet werden und danach stundenlange Verkaufsveranstaltungen mit überteuerten Waren über sich ergehen lassen müssen. Der schier unglaubliche Ausflug von 26 Menschen aus Eifel und Hochwald nach Dreckenach bei Kobern-Gondorf ist nur ein besonders dreistes Beispiel für das Nepper-, Schlepper-, Bauernfängertum, das in dieser Branche herrscht.

Offenbar kommen die Veranstalter auch der unseriösesten Fahrten zu oft ohne juristische Konsequenzen davon: einerseits weil ihr Tun sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt, andererseits weil sich die Teilnehmer - meist alte Menschen - nicht wehren. Schlimmer noch, vielen Senioren ist es sogar peinlich, dass sie bei solchen Fahrten mitmachen, um dadurch ein wenig unter Menschen zu kommen.

Dies zeigt, dass hinter dem Erfolg dubioser Kaffeefahrten ein gesellschaftliches Problem steht, das sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird: Eine tiefgreifende Vereinsamung älterer Menschen vor allem im ländlichen Raum. Wie groß müssen die Langeweile und der Wunsch nach Geselligkeit sein, wenn man trotz besseren Wissens Angebote wie das der Fahrt nach Dreckenach annimmt?

In größeren Orten der Region mag es für Senioren noch hinreichende Angebote zur Tagesgestaltung geben. In vielen Dörfern bleibt oft nur Fernsehgerät und Kaffeefahrten. Dieses Problem wird mit der unaufhaltsamen Alterung der Gesellschaft wachsen. Im Gegensatz zur Betreuung von Kleinkindern wird es bisher allerdings weitgehend ignoriert und nicht als öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Dabei wäre die Organisation von sinnvollen Aktivitäten, die ältere Menschen auch im ländlichen Raum wahrnehmen können, ebenso eine Zukunftsinvestition wie die Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Unter-Zweijährige. Es ist Zeit, diese Herausforderung des demographischen Wandels anzunehmen.

l.ross@volksfreund.de

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