Empörung über Dreyer wächst

Die Industrie- und Handelskammern (IHK) im Land fahren schweres Geschütz gegen Arbeitsministerin Malu Dreyer (SPD) auf. Sie kämpfen vehement um die Einstellung des Betriebsräte-Schnell-Infosystems, das rechtlich nicht vertretbar sei.

Mainz. Seit Jahresbeginn melden Betriebsräte im Land wöchentlich Betriebsdaten über Auftragslage, Personalentwicklung und Finanzprobleme an die gewerkschaftsnahe TBS gGmbH. Von dort gehen sie nach Mainz. 195 Betriebsräte haben sich nach Auskunft der Landesregierung, die das sieben-modulige TBS-Projekt mit 320 000 Euro bezuschusst (wovon rund 40 000 Euro auf das Infosystem entfallen) bislang beteiligt. "Die Betriebe sind empört über die Bespitzelung", zürnt der Koblenzer IHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Jürgen Podzun. Kürzlich hatten bereits sein Trierer Kollege Arne Rössel, die Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU) sowie CDU und FDP scharf protestiert.

Laut Podzun sind zahlreiche Unternehmer sauer, "weil hinter ihrem Rücken betriebsinterne Infos weitergegeben werden". Das Vertrauen zur Landesregierung sei gestört. Das Argument der Ministerin, den Betrieben in der aktuellen Wirtschaftskrise helfen zu wollen und deshalb die Daten zu erheben, sei ein Witz. "Angeblich handelt es sich nur um Meinungsbekundungen der Betriebsräte. Zudem sollen die Daten anonymisiert sein. Man kennt also die Betriebe gar nicht, denen man helfen will!" Die Kammern wollen laut Podzun "die Ministerin juristisch und politisch so lange stellen, bis sie ihre Einsichtsfähigkeit beweist". Man werde klagewillige Betriebe rechtlich unterstützen.

Die IHK Koblenz hat von einer Kanzlei ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Ergebnis: "Die Auftragsvergabe durch die Landesregierung war rechtswidrig. Es hätte eine europaweite Ausschreibung geben müssen", sagt Anwalt Roland Schmitt. Sein Kollege Elmar Kloss ergänzt, das Info-System sei auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht bedenklich. "Elementare Grundlage wäre eine schriftliche Fixierung darüber gewesen, was mit den Daten passiert."

Zwei Gespräche zwischen der Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU) und der TBS, die auf Bitten der Ministerin geführt wurden, sind laut LVU-Sprecher Marcel Speker ergebnislos geblieben. Podzun sagt, die Ministerin habe ihm am 7. Oktober mitgeteilt, künftig würden Daten nicht mehr ohne Zustimmung der Firmenleitungen erhoben. Die TBS habe aber am 22. Oktober schriftlich angedeutet, dass es über die Befristung 31. Dezember hinaus weitergehen könnte. Podzun: "Was gilt denn nun?" Auf TV-Anfrage heißt es dazu aus dem Ministerium: "Herr Podzun zitiert aus einem vertraulichen Gespräch mit Frau Dreyer falsch." Es seien verschiedene Lösungswege erörtert worden. Die Ministerin sehe es aber "als Aufgabe der Sozialpartner an, das Problem zu lösen". Deshalb gebe es in der kommenden Woche ein Spitzengespräch zwischen DGB-Landes-Chef Dietmar Muscheid und LVU-Hauptgeschäftsführer Werner Simon.Handeln, nicht nur moderieren!

Arbeitsministerin Malu Dreyer macht es sich zu leicht, wenn sie beim umstrittenen Schnell-Info-System ausschließlich auf die Kompromissbereitschaft der Sozialpartner setzt. In das Projekt fließen Steuergelder, für deren Einsatz sie verantwortlich ist. Praktiken, bei denen offenbar wenig aussagekräftige Infos ohne Wissen oder Zutun der Verantwortlichen gesammelt werden, dürfen nicht mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Deshalb darf die Ministerin nicht nur moderieren, sondern muss handeln. f.giarra@volksfreund.de

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