Energiewende, die dritte?

Es war Angela Merkel, die im Herbst 2010 ein Energiekonzept mit ehrgeizigen Vorgaben vorlegte, darunter minus zehn Prozent beim Stromverbrauch bis 2020. Nun sagt der neue Umweltminister Peter Altmaier, noch nicht einmal 100 Tage im Amt, dass das wohl nur schwer zu erreichen sei. Ebenso die Zahl von einer Million Elektroautos bis 2020, eine weitere Schöpfung der Kanzlerin.

Die hatte außerdem noch im Februar ihr Kabinett einen Zwischenbericht beschließen lassen, wonach die Energiewende "auf gutem Weg" sei. Altmaier rudert auch hier zurück. Der Koordinierungsbedarf sei unterschätzt, es seien "Fehler" gemacht worden. Wie wohltuend ehrlich.
Doch Altmaiers Eingeständnisse könnten auch der Versuch einer neuerlichen Kursbereinigung sein, dann der dritten in Merkels Amtszeit nach der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke im Jahr 2010 und dem Atom-Aus im Jahr 2011. Der Verdacht jedenfalls besteht, dass aus einer ehrgeizigen jetzt klammheimlich eine Energiewende light gemacht werden soll, eine, bei der auch die FDP mitmachen kann.
Der Zug führe dann künftig nur noch nach dem langsamsten Wagen. Aber der Schaffner wäre viel netter.
Nichts gegen realistische Korrekturen. Verloren geht dabei jedoch jener Ehrgeiz, der nicht übertrieben, sondern mit etwas Anstrengung machbar ist. Zum Beispiel bei der Gebäudesanierung, wo man von dem Ziel, jährlich zwei Prozent der Häuser zu modernisieren, weit entfernt ist - im Wesentlichen wegen politischer Unentschlossenheit. Zum Beispiel bei der Energieeffizienz, wo es an Mut mangelt, das Marktgeschehen durch ordnungspolitische Maßnahmen zu beschleunigen. Eine Energiewende, bei der niemand verärgert wird, also nach dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass", kann nicht funktionieren.
Noch eine Funktion haben Altmaiers selbstkritische Töne: Hier versucht der treueste der CDU-Getreuen, im Elan des Neubeginns seine Chefin galant aus dem Schussfeld zu ziehen. Versprochen - gebrochen, verkündet - vergessen, das sollte man der Kanzlerin jedoch nicht durchgehen lassen.
Angela Merkel hat in der Vergangenheit zu viel politischen Profit aus ihrem Image als Klimakanzlerin gezogen, sogar international, um sie jetzt so billig davonkommen zu lassen. Außerdem muss der Anspruch an die Energiewende nicht zuletzt mit Blick auf den deutschen Technologievorsprung und auf deutsche Arbeitsplätze hoch bleiben. Höher jedenfalls, als Altmaier die Latte jetzt hängt. Da geht noch mehr.
nachrichten.red@volksfreund.de

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