Erfolgsgeschichte trotz großer Ängste - Osterweiterung der EU löst heftige Diskussionen aus

Kein Zweifel: die Osterweiterung der EU ist eine Erfolgsgeschichte. Politisch muss die Wiedervereinigung des Kontinents als historische Errungenschaft gewertet werden.

Auch wirtschaftlich kann sich die Bilanz sehen lassen.
Das Pro-Kopf-Einkommen in den acht osteuropäischen Mitgliedstaaten liegt mittlerweile bei 61 Prozent des Niveaus der alten. Zum Vergleich: vor zehn Jahren war es nur 49 Prozent. Heute verdienen Polen und Slowaken im Durchschnitt doppelt so viel wie eine Dekade zuvor. Und der Durchschnittslohn in Polen ist heute viermal so hoch wie beim Nachbarn Ukraine, der bekanntermaßen (noch) nicht zur EU-Gemeinschaft gehört, was Moskau auch so halten möchte.

Umgekehrt haben sich Ängste vor Horden von osteuropäischen Billigarbeitern in den alten EU-Staaten oder Massenverlagerungen von Jobs nach Polen & Co. als unbegründet erwiesen. Kurzum: Die Osterweiterung hat in der gesamten Gemeinschaft für zusätzliche Wachstumsimpulse und eine deutliche Wohlstandssteigerung gesorgt. Doch sie hat auch Probleme aufgezeigt, denen sich die Gemeinschaft dringend stellen muss.
Will Europa als handlungsfähiger Akteur auf der globalen Bühne mitmischen, kann die Union nicht unbegrenzt weiter wachsen. Schon 28 Mitgliedstaaten sind kaum auf eine gemeinsame Stimme zu bringen. Die EU braucht Anbindungs-Alternativen unterhalb der Vollmitgliedschaft. Sie müssen attraktiv genug sein, um den Aspiranten wirksame Anreize für demokratische und marktwirtschaftliche Reformen zu geben. Gleichzeitig dürfen sie nicht volle Mitsprache in den Institutionen bedeuten. Denn dann vergrößert sich die EU irgendwann in die Bedeutungslosigkeit - weil sie handlungsunfähig wird. Ganz zu schweigen davon, dass Zahlerländer wie Deutschland nicht mitmachen werden, wenn etwa eines Tages ein Großteil ihres Beitragsgeldes für den Brüsseler Haushalt als Subvention an anatolische Bauern fließt statt in Innovation und Forschung in Berlin, Paris und anderswo.

Die Neuaufstellung der Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik muss einhergehen mit einer vernünftigen Russland-Strategie. Die EU hat offenkundig unterschätzt, wie ernst Wladimir Putin den Satz meinte, der Untergang der Sowjetunion sei die größte geostrategische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Er übernahm eine Nation, der durch Gorbatschows und Jelzins Bereitschaft zur Aufgabe des Status einer Weltmacht, eine gehörige Portion Selbstbewusstsein abhanden kam. Die EU muss sich vorwerfen lassen, die Wirkung des Näherrückens der westeuropäischen Demokratien an Russland falsch kalkuliert zu haben.

Sie zahlt nun den Preis dafür - wie der Konflikt um die Zukunft der Ukraine zeigt. Zieht Europa keine Lehren daraus, wird Krieg in Europa wieder wahrscheinlicher. Und das wäre ein verheerendes Ergebnis der Osterweiterung.

nachrichten.red@volksfreund.de

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