Ernst und Lötzsch sollen Linkspartei führen

Bei der Linken arbeiten künftig noch mehr Führungskräfte an der Revolution: Drei Tage nach dem angekündigten Rückzug von Parteichef Oskar Lafontaine aus der Bundespolitik präsentierte sein Freund Gregor Gysi gestern eine neue Führungsmannschaft.

Berlin. Mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst an der Spitze will die Linkspartei nach den Querelen der vergangenen Wochen einen personellen Neuanfang starten. Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi sagte am Dienstag in Berlin, dass seine Stellvertreterin Lötzsch (48) und Partei-Vize Ernst (55) beim Parteitag Mitte Mai in Rostock als Nachfolger des an Krebs erkrankten Oskar Lafontaine und von Lothar Bisky kandidieren sollen. Besonders Ernst ist innerhalb der Partei nicht unumstritten, weil er gegen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dem Illoyalität gegen Lafontaine vorgeworfen worden war, Partei ergriffen hatte. Bartsch bleibt als neuer Fraktionsvize in einer wichtigen Funktion.

Partei will ihren Markenkern erhalten



Lafontaine und Bisky hatten die Partei seit ihrer Gründung Mitte 2007 gemeinsam geführt. Sie hätten ein Fundament gelegt, "auf das wir aufbauen wollen", betonte Lötzsch. Ernst sagte: "Es geht nicht darum, Oskar Lafontaine zu kopieren." Vor allem müssten Ost und West in der Linkspartei weiter zusammengeführt werden. Der Markenkern - Nein zu Hartz IV, Afghanistan-Einsatz und Rente mit 67 sowie der Kampf für einen Mindestlohn - müsse erhalten bleiben. "Die Linke darf nicht beliebig werden", so Ernst. Gysi betonte, er sei mit seinem Amt als Fraktionschef ausgelastet, deshalb sei eine Kandidatur für den Parteivorsitz für ihn kein Thema gewesen.

Als Nachfolge von Bartsch soll es erstmals zwei Bundesgeschäftsführer geben. Der aus Hessen stammende Fraktionsvize Werner Dreibus und die sächsische Bundestagsabgeordnete Caren Lay sollen dieses Amt übernehmen, sagte Gysi. Neuer Schatzmeister soll der Bundestagsabgeordnete Raju Sharma aus Schleswig-Holstein werden.

Es sei darum gegangen, einen "guten und fairen Kompromiss" zu finden, sagte Gysi. Er sei stolz, dass man so rasch eine Lösung präsentieren konnte. Sie sei vom Parteivorstand mit 28 Ja-Stimmen - bei vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen - beschlossen worden. Über die Neubesetzung des künftig elfköpfigen geschäftsführenden Vorstands hatten Parteigremien und die Landesverbände bis zum frühen Dienstagmorgen beraten.

Einig uneins

Im ICE-Tempo haben die Linken ihr Machtvakuum formal beseitigt. Die Bilder von Gregor Gysis leichenblasser Miene bei der Rückzugs-Ankündigung seines Kampfgefährten Oskar Lafontaine sind noch allgegenwärtig, da hat die letzte Integrationsfigur der Partei schon die komplette Erbengemeinschaft des Saarländers formiert. Bei näherer Betrachtung der Kandidaten für die neue Führung relativiert sich Gysis Verdienst allerdings deutlich. Dass es so schnell zu einer Einigung kam, hat damit zu tun, dass der Personalvorschlag lediglich ein gelungener Ausdruck der Uneinigkeit ist. Wie tief müssen die innerparteilichen Gräben sein, wenn sich die Strippenzieher aller Flügel und Strömungen nicht mal auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundesgeschäftsführers einigen können? Auch die geplante Installierung von gleich zwei Parteibildungsbeauftragten aus Ost und West zeigt, wie es um die Linke im Land steht: Da wächst nicht zusammen, was offenbar auch nicht zusammengehört. Und Hand aufs Herz: Nur weil eine Sahra Wagenknecht fortan nicht mehr ihre Unterschrift unter die Revolutions-Appelle ihrer Kommunistischen Plattform setzen darf, hat sich doch die politische Einstellung im Kopf nicht verändert. Am Ende findet sich jeder Parteigänger in dem Personalvorschlag wieder. Dass daraus eine klare Programmatik erwächst, können nur Blauäugige erwarten. Politisch bleibt die Linkspartei tief zerrissen. nachrichten.red@volksfreund.de

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