Erst denken, dann handeln

Die Sozialverbände in Deutschland schlagen Alarm: Wird die Wehrpflicht ausgesetzt, wie es Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plant, bedeutet diese Entscheidung das Aus für den Zivildienst in seiner bisherigen Form - mit gravierenden finanziellen Folgen.

Der Einzige, der dabei ein gutes Geschäft machen würde, wäre Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Denn jährlich fließen aus dem Bundeshaushalt 450 Millionen Euro in den Zivildienst, die er dann sparen würde.

Wer die Axt nicht an den Sozialstaat anlegen will, darf diese Rechnung aber auf keinen Fall aufmachen. Den Schwarzen Peter hätten dann nämlich die sozialen Einrichtungen. Sie stünden vor dem Kollaps oder zumindest erheblichen Einschränkungen, weil sie die Stellen alternativ besetzen müssten. Tausende Zivis leisten bundesweit in der Gesellschaft wertvolle Dienste als Helfer in der Pflege, bei Betreuungsdiensten oder in Krankenhäusern. Experten schätzen, dass für den Ausgleich der Zivildienstleistenden im sozialen Bereich etwa 200 Millionen Euro pro Jahr aufgebracht werden müssten. Mindestens dieses Geld muss der Bund bereitstellen.

Wer die Wehrpflicht aussetzen oder abschaffen will, muss prinzipiell gleichzeitig beantworten, wie er die Zivis ersetzen will. Derzeit absolvieren rund 30 000 Menschen ein Freiwilliges Soziales Jahr. Da wohl niemand gezwungen werden kann, etwas Gutes zu tun, käme man nicht umhin, mit Hilfe von finanziellen Anreizen oder dem Angebot besserer beruflicher Perspektiven diese Zahl erheblich zu steigern, mindestens zu verdoppeln. Selbst dann würde allerdings im sozialen Bereich noch eine große Lücke klaffen.

Angesichts dieser Fakten muss sich der Verteidigungsminister die Frage stellen, ob er nicht besser die Finger von der Wehrpflicht und damit dem Zivildienst lässt. Das System hat sich über viele Jahrzehnte bewährt, und der Wind bläst ihm schon ins Gesicht. Man möchte dem Bayern am liebsten zurufen: Erst denken, dann handeln. f.giarra@volksfreund.de

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