Erst kommt das Fressen …

Die Kampfhähne in Sachen Bildungspaket sollten ihre schweren Geschütze wieder einpacken. Das Produkt aus dem Hause von der Leyen ist weder, wie seine Erfinderin weismachen will, ein Meilenstein im Kampf um mehr Bildungsgerechtigkeit, noch, wie Opposition und Sozialverbände toben, ein Desaster auf der ganzen Linie.

Es ist zunächst einmal ein Versuch, aus dem man Schlüsse ziehen sollte.
So wird zum Beispiel deutlich, dass die Frage, wie gut die Angebote ihre Adressaten erreichen, maßgeblich vom Engagement der örtlichen "Verteiler" abhängt. Wer bockt oder darauf setzt, dass alles von selbst läuft, hat schon verloren. Wenn es darum geht, Kindern aus ärmeren oder bildungsferneren Schichten Türen für eine bessere Bildung und Teilhabe zu öffnen, ist das Prinzip "Friss oder stirb!" der falsche Ansatz. Die Kinder können schließlich nichts dafür, wenn ihre Eltern nicht willens oder in der Lage sind, ihre Ansprüche wahrzunehmen.
Die Kommunen müssen also Energie und Zeit investieren - und den Leuten notfalls nachlaufen. Im Gegenzug müssen Bund und Länder dafür aber auch die nötigen Ressourcen zugestehen. Und notfalls helfen, wo es vor Ort aus eigener Kraft nicht geht. Da braucht man nicht die ganze Funktionsweise des Bildungspaketes infrage zu stellen, da reicht es, Fehler und Mängel zu korrigieren.
Weit schwerer wiegt ein anderes Problem: Der Topf, aus dem bessere Bildungschancen finanziert werden sollen, wird im Wesentlichen verbraucht für das Stopfen von Löchern im sozialen Sicherungssystem.
Wenn etliche arbeitslose oder alleinerziehende Eltern das warme Mittagessen für ihre Kinder, den Füller und die Schultasche nicht mehr zahlen können, dann läuft etwas furchtbar schief im Sozialstaat Deutschland. Es ist schizophren, die betroffenen Familien einerseits so knapp zu halten, dass das Geld für derart elementare Bedürfnisse der Kinder nicht mehr reicht, und die Kohle dann andererseits auf Antrag aus irgendwelchen Sonderfonds doch rüberzuschieben.
Da verwundert es nicht, dass die eigentlichen Bildungs-Angebote in Frau von der Leyens Paket weitgehend links liegengelassen werden. Das Mittagessen ist eben wichtiger als die Nachhilfestunde - dafür muss man nicht Brechts Erkenntnisse über Fressen und Moral im Deutschunterricht gelesen haben.
Es käme also darauf an, in einem der reichsten Länder der Welt das Mittagessen für viele Schulkinder nicht mehr über einen Bildungs-Fonds finanzieren zu müssen. Dann wäre das Inter esse an Hausaufgabenhilfe, Flötenunterricht und Sportvereins-Mitgliedschaft sicher deutlich größer als jetzt.
d.lintz@volksfreund.de

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