Ertappte Heuchler

Bestechlich war Peer Steinbrück sicher nicht. Eher schon wird er sich darüber amüsiert haben, dass Banken ihm so viel dafür zahlten, mal Klartext über ihre Branche zu hören.

Was Steinbrück so verunsichert, ist, dass die jetzt ins Rampenlicht gerückte lange Liste von sehr gut honorierten Reden sein Image als Anwalt der sozial Schwachen stört, das er als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten doch bräuchte. Steinbrück will Arbeiterführer sein und ist Bestverdiener. Er will vielleicht wieder harte Reformen oder Sparen predigen, hat aber seine Milliönchen auf der Kante. Erwischt.
Die Koalition rührt lustvoll in dieser Fehlstart-Wunde, schon weil Angela Merkel als Nebeneinkünfte "nur" ihr Kanzlerinnen-Gehalt von rund 17 000 Euro monatlich hat und ansonsten bescheiden auf ihrem Wochenendgrundstück in der Uckermark Gurken zieht. Aber die Angriffe von CDU, CSU und FDP sind mindestens genauso heuchlerisch wie Steinbrücks Verwunderung. Bei Union und Liberalen finden sich mit Abstand die meisten Parlamentarier mit einer Nebentätigkeit der Stufe 3, mehr als 7000 Euro. Und diese drei Parteien waren es auch, die 2005 gegen die Reform der Transparenzrichtlinie stimmten oder sich enthielten. Obwohl diese Reform nicht einmal den gläsernen Abgeordneten schuf, sondern wegen der Stufenregelung allenfalls einen, dessen Einkommen man nur wie hinter Milchglas erahnen kann.
Allerlei Scheinargumente wurden damals und werden auch heute gegen eine vollständige Transparenzregelung ins Feld geführt. Allen voran, dass dann keiner mehr Abgeordneter werden wolle, der noch einen anständigen Beruf habe. Oder dass Selbstständige das Parlament meiden würden, wenn sie alle Einkünfte angeben müssten. Aus diesen Argumenten spricht eine bemerkenswerte Realitätsferne. Noch sind 8252 Euro Abgeordnetenentschädigung monatlich plus 4029 Aufwandsentschädigung für 98 Prozent der Deutschen, die weniger verdienen, auch für viele Selbstständige, ein Einkommen, für das sich zu schuften lohnt. Auch ohne Nebentätigkeit.
Eine Reform sollte jetzt schnell angegangen werden. Denn was im Moment passiert, dass sie sich gegenseitig wegen ihrer Einkünfte anschwärzen, ist für das Ansehen des Parlaments das Allerdümmste. Wenn man die veröffentliche Liste jener 142 Abgeordneten durchsieht, die überhaupt Zusatzeinkünfte der Stufe 3 haben, mehr als 7000 Euro, dann sind die meisten davon Staatssekretäre, Minister oder Parteigeneralsekretäre, haben also öffentliche Funktionen. Weitere haben ein oder zwei harmlose Aufsichtsratsmandate. Einige wenige haben regelmäßige Nebenverdienste. Peer Steinbrück ist neben Michael Glos (CSU) und Heinz Riesenhuber (CDU) mit vielen Stufe-Drei-Einträgen schon einer der Spitzenreiter. Der Bundestag ist also überwiegend nicht das Parlament der nimmersatten Geld- und Jobsammler. Das sollte er auch in seinen Regeln zeigen.
nachrichten.red@volksfreund.de

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