Es besteht Hoffnung

Das, was der von Rheinland-Pfalz beauftragte Beobachter des Cattenom-Stresstests gestern vorgestellt hat, war nicht überraschend. Das meiste davon war schon bekannt, etwa durch die Inspektion der französischen Atomaufsicht.

Cattenom ist nicht ausreichend auf ein starkes Erdbeben vorbereitet, und offenbar nimmt der Betreiber, der französische Energiekonzern EDF, international gültige Sicherheitsstandards nicht sonderlich ernst. Auch schert er sich reichlich wenig um EU-Vorgaben für die Stresstests der europäischen Atomkrafwerke. So wurde eben nicht getestet, ob die Anlage einen Flugzeugabsturz überstehen könnte.
Überraschend allenfalls die Schlussfolgerung, die der anerkannte Atomexperte aus seinen Erkenntnissen zog: Der Betreiber müsse die von ihm selbst festgestellten Mängel so schnell wie möglich beseitigen. Schneller jedenfalls als in dem 390 Seiten umfassenden EDF-Bericht vorgesehen, nämlich spätestens bis 2020.
Zu der von vielen Politikern in der Region und auch von der rheinland-pfälzischen Energieministerin gestellten Forderung, Cattenom abzuschalten, kann und will er sich nicht durchringen. Er wertet ganz im Sinne eines nüchternen Wissenschaftlers Fakten aus. Er sieht seine Aufgabe nicht darin, einem Nachbarland weitergehende Ratschläge zu erteilen oder sich in seine Atompolitik einzumischen. Das mag den einen oder anderen Politiker enttäuschen. Doch - realistisch gesehen - wird die berechtigte Forderung nach einer sofortigen Abschaltung von Cattenom in Frankreich ungehört verhallen. Warum soll sich ein Land von einer Region vorschreiben lassen, wie es mit einem, wenn auch veralteten und pannenreichen, Kernkraftwerk umzugehen hat? Trotzdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass die vier Reaktoren, die vom Saargau aus nur einen Steinwurf entfernt zu sein scheinen, doch in absehbarer Zeit vom Netz gehen. Aber nicht, weil Politiker und Bürger jenseits der französischen Grenze das wollen. Auch nicht, weil die EDF doch noch zur Besinnung kommt. Nein. In Frankreich macht sich langsam, aber sicher ein Umdenken bemerkbar. Die Zahl der Atomgegner wächst. Und Sozialisten und Grüne haben versprochen, fast die Hälfte der Atomkraftwerke in den nächsten 14 Jahren abzuschalten, wenn sie die Wahlen im nächsten April gewinnen. Es besteht also Hoffnung.

b.wientjes@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort