„EU, bitte übernehmen Sie“

Ja, die EU-Kommission hat nur einen Stein ins Wasser geworfen. Es war aber ein wichtiger Stein, und er kam zum richtigen Zeitpunkt. Er soll die Mitgliedsländer anstoßen, sich in der Frage der Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Gemeinschaft zu bewegen.

Dass es nicht so weitergeht wie bisher, ist klar. Der enorme Zustrom von Flüchtlingen hat das bisherige System zur Aufnahme und Verteilung kollabieren lassen. Bestehende Regelungen (etwa "Dublin" und "Schengen") gelten entweder nur noch auf dem Papier oder wurden vorübergehend außer Kraft gesetzt. Hinzu kommt: Unter den Menschen, die vor Bürgerkrieg und Terror flüchten, hat eine Rosinen-Pickerei eingesetzt. EU-Funktionäre nennen es "Asylshopping".

Die Vorschläge der Kommission kommen gerade richtig: So umstritten und wackelig auch der Pakt mit der Türkei ist, das Schleusergeschäft ist zurückgegangen, die illegale Zuwanderung aus der Türkei über die Ägäis ist deutlich eingedämmt worden. Das gibt allen Beteiligten nun hoffentlich Luft zum Atmen, zum Nachdenken darüber, was sich ändern muss.
Beide Vorschläge der EU-Kommission sind brauchbar, hinreichend handfest und konkret.

Es wäre leicht, mit Verweis auf die in der Flüchtlingsfrage widerborstigen Regierungen in Osteuropa und anderswo, zu argumentieren, dass Veränderungen bei den Asylverfahren und der Verteilung im Konsens unrealistisch sind. Doch das ist kein gutes Argument. Nun ist es an der Zeit, dass die Willigen um Zustimmung kämpfen. Im Hinblick auf die Uneinigkeit, die sich die Europäer in Asylfragen in den letzten Monaten geliefert haben, ist die weniger "faire" Variante - Dublin bleibt, aber überforderte Länder werden entlastet - freilich näher an der Realität. Klar ist aber: Die bessere Variante wäre die radikale Lösung.

Die EU ist laut den Verträgen immer dann gefordert, eine Aufgabe an sich zu ziehen, wenn sie es besser kann als die Summe ihrer Mitglieder. Seit September hat ganz Europa erlebt, dass etliche Mitgliedsländer sich in ihrem Egoismus verrannt haben. EU, bitte übernehmen Sie.

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