Finger weg vom Wahlrecht

Wer 16 Jahre alt ist, darf in Deutschland kein Auto fahren, keinen harten Alkohol trinken und nur bis Mitternacht in die Kneipe oder Disco. Und wer in diesem Alter einen Handy-Vertrag abschließen will, braucht dazu die Genehmigung der Eltern. In all diesen Fällen dienen die gesetzlichen Regelungen dem Schutz der Jugendlichen.

Warum will der Gesetzgeber also jene, die er in vielerlei Hinsicht als schutzbedürftig ansieht, mit dem Wahlrecht ausstatten, das eine große Verantwortung verlangt?

Aus guten Gründen gelten Menschen in diesem Land erst mit 18 Jahren als volljährig und voll geschäftsfähig. Im Strafrecht genießen sie sogar noch eine besondere Stellung als Heranwachsende und unterliegen nicht der vollen strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erst mit 21 Jahren eintritt. Es ist nicht plausibel, Menschen die Geschicke des Staates mitbestimmen zu lassen, denen man das Regeln ihrer eigenen Lebensverhältnisse nicht zutraut.

Auf den ersten Blick klingen die Argumente für eine Senkung des Wahlalters verlockend. Von einer Stärkung der Demokratie ist die Rede und davon, junge Menschen in ihrem Umfeld mitbestimmen zu lassen, wenn sie auf kommunaler Ebene wählen dürfen.

Man wähnt den Schritt als probates Mittel, um Jugendliche für Politik zu interessieren und damit der Politikverdrossenheit zu begegnen.

In Wahrheit demonstriert dieser Versuch jedoch eher die Hilflosigkeit der Politiker. Wer keine Politikverdrossenheit möchte, der sollte Politik so gestalten, dass sie nicht verdrossen macht. Am Wahlrecht zu fummeln, hilft nicht weiter.

Die Erfahrungen in Niedersachsen, wo das Wahlrecht für 16-Jährige bei Kommunalwahlen seit 1996 gilt, und in Nordrhein-Westfalen (seit 1999) zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Wahlalter und der Wahlbeteiligung gibt. Die sinkt nach wie vor.

Die SPD, die das Thema angestoßen hat, traut der Sache offenbar selbst nicht so recht. Anders ist es nicht zu erklären, dass man das Wahlrecht nur für die Kommunalwahlen in vier Jahren, nicht aber für die Landtagswahl im kommenden Jahr ändern möchte.

f.giarra@volksfreund.de

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