Frauenquote als Vehikel

Weder der Luxemburger EU-Kommissarin Viviane Reding noch der deutschen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wird man militanten Feminismus unterstellen wollen, wenn beide nun vehementer eine Frauenquote für die Besetzung von Führungsposten in Betrieben fordern. Denn allen Empfehlungen, Ratschlägen und Studienergebnissen zum Trotz, allen Selbstverpflichtungen der Unternehmen entgegen nimmt die Zahl weiblicher Führungskräfte europaweit nur um 0,6 Prozent pro Jahr zu.

Mit viel gutem Willen wäre somit erst in 40 Jahren die von der EU gewünschte Quote von 40 Prozent Frauenanteil in allen Entscheidungsgremien erreicht. Ein Armutszeugnis für eine zivilisierte Gesellschaft, die die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in ihrer Verfassung verankert hat.
Warum immer mehr Frauen wie Männer nicht mehr warten wollen, bis der selbst formulierte Anspruch erfüllt ist? Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung und repräsentieren damit auch die Hälfte von Talenten und Fähigkeiten. Frauen stellen die Hälfte der ökonomisch Agierenden - als Kunden, als Auftraggeber, als Arbeitskräfte. Frauen haben mehr Universitätsabschlüsse als Männer. Und Frauen in Führungsverantwortung verbessern Unternehmensklima, Unternehmensführung und Unternehmensresultat - rein wissenschaftlich betrachtet.
Zwang führt zwar selten zum besten Ergebnis einer Problemlösung. Die Frauenquoten in den meisten deutschen Parteien haben aber gezeigt, dass Politikerinnen erst so zu einer mächtigen und gleichberechtigten Gruppe geworden sind, die neue Themen, neue Diskussionsformen und eine neue Entscheidungskultur ermöglicht hat. Etwas, das im Übrigen niemand Bundeskanzlerin Merkel und ihrer Politik vorwerfen würde.
Dass in der Region Trier nach der jüngsten Untersuchung der Creditreform mehr Frauen in Führungspositionen sind als bundesweit, mag den einen oder anderen Unternehmer im Mittelstand darin bestätigen, dass Chefs und ihre Führungskräfte in kleinteiligen Firmenstrukturen die Sache selbst in die Hand nehmen und regeln. Und dennoch ist auch in der Region von einer Zeitenwende wenig zu spüren. Es reicht nicht aus, darauf zu warten, dass die Tochter des Firmenchefs ihr Betriebswirtschaftsstudium beendet hat, um den Betrieb zu übernehmen. Viele Arbeitnehmerinnen sind qualifiziert, ihr Engagement wird jedoch nicht belohnt.
Eine Frauenquote böte schließlich ein Vehikel, neben der Gleichberechtigung in Führungsetagen andere Themen stärker in die Arbeitswelt zu bringen, die alle Berufstätigen betreffen - auch und gerade in der Region: Mädchen in technischen Ausbildungsberufen, Fachkräftemangel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Führungsverantwortung in Teilzeit für Frauen und Männer.
s.schwadorf@volksfreund.de

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