Gegner, Feind - Koalitionspartner

Es sind die Bilder dieser Tage. Alexander Dobrindt und Hannelore Kraft fröhlich auf dem Balkon.

Sigmar Gabriel, der Angela Merkel tief in die Augen blickt, beide lächeln. Sozialdemokratische Spitzenpolitiker betreten die CDU-Zentrale, ungezwungen, als seien sie dort zu Hause. Und nächsten Mittwoch werden die Christdemokraten im Gegenzug die große Statue Willy Brandts im Parteiheim der Genossen bewundern. Nicht, dass sie nicht freundlich sein dürften zueinander. Es gibt keinen Grund, sich der Sachlichkeit zu verweigern, wo es um die Sache geht, um ein gemeinsames Regierungsprogramm. Nur: Der Bruch ist diesmal so verdammt groß vom "Kreuziget ihn" des Wahlkampfs zum "Himmelhoch jauchzet" der Koalitionsverhandlungen. Es ist nicht einmal fünf Wochen her, dass sie noch übereinander herzogen. Dass sie die Konzepte der jeweiligen Konkurrenz für Gift erklärten, die Union den Mindestlohn, die SPD das Betreuungsgeld, die Union die Frauenquote, die SPD die Maut, die CDU Steuererhöhungen, die SPD die angeblich unseriösen Wahlversprechungen. Zitate gefällig? "Angela Merkel ist eine professionelle Anscheinerweckerin" (Sigmar Gabriel). "Angela Merkel ist für das tatenloseste, zerstrittenste, rückwärtsgewandteste, aber vollmundigste Kabinett seit der Wiedervereinigung verantwortlich" (Peer Steinbrück). "In der Frage der Euro-Krise ist die Sozialdemokratie total unzuverlässig" (Angela Merkel). Wenn sie jetzt alle in ihre geschäftigen Verhandlungen versinken und mancher wohl auch schon in den Traum von einem neuen Job als Minister oder Staatssekretär, dann sollten sie dabei nicht vergessen, dass dieser umstandslose Bruch vom Gegner zum Freund, vom Feind zum Partner draußen bei den Bürgern eine Wirkung erzeugt. Und es ist keine gute. Dieses Verhalten verstärkt den Eindruck, den man an den Stammtischen mit der These "Die stecken doch sowieso alle unter einer Decke" sowieso schon lange hat. Und mancher sieht in den Akteuren, die er gestern vielleicht noch bewundert hat, heute nur noch Wendehälse. Noch einmal: Nicht dass sie nicht freundlich und sachlich zueinander sein dürfen. Oder dass sie sich nun gar künstlich streiten müssten. Das ist nicht die Lösung. Die Lösung ist: Sie sollten alle aufhören, sich vor Wahlen gegenseitig so maßlos herunterzureden, dass es schwer fällt, zu ihnen aufzuschauen, wenn sie hinterher dann doch anders handeln müssen. Sie sollten in Wahlkämpfen endlich mal eine Tonlage wählen, die ihren realen Unterschieden entspricht. Unterschieden, nicht Feindschaften. nachrichten.red@volksfreund.de

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