Gestochen und gepiesackt

Im Untreue-Prozess gegen den früheren rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel hat der Vorsitzende Richter Winfried Hetger vor zwei Monaten in seiner Urteilsbegründung einen bemerkenswerten Satz gesagt. Hetger meinte, die Landesregierung sei am Nürburgring "sehenden Auges in die Insolvenz geschlittert".

Noch etwas stellte der Richter fest: Die wesentlichen finanziellen Schäden seien erst nach Deubels Abgang entstanden, könnten diesem also nicht angelastet werden.
Schon diese richterlichen Aussagen haben den Puls mancher Regierungsmitglieder in die Höhe schnellen lassen. Man wartet seitdem gespannt, ob das auch in der schriftlichen Urteilsbegründung stehen wird.
Der Landesrechnungshof kommt in seiner Prüfung der Nach-Deubel-Ära vorläufig zu einem ähnlichen Ergebnis wie Richter Hetger. Er zeigt dabei Fehler und Versäumnisse anderer Verantwortlicher als Deubel auf. Finanzminister Carsten Kühl und SPD-Fraktionschef Hendrik Hering agieren politisch noch in der ersten Reihe. Und das birgt Zündstoff.
Seit Jahren versucht die CDU beinahe schon verzweifelt zu belegen, dass nicht nur Deubel als Sündenbock abgestempelt werden könne. Trotz akribischer Detailarbeit im Untersuchungsausschuss und in sämtlichen Ausschüssen des Landtags ist der Opposition ein solcher Nachweis nie gelungen. Für sie wäre ein Prüfbericht des Rechnungshofs mit diesem Ergebnis folglich Wasser auf die Mühlen.
Der Landesregierung hängt die Nürburgring-Affäre seit sechs Jahren wie eine lästige Mücke am Bein, von der sie immer wieder gestochen und gepiesackt wird. Keiner bezweifelt, dass dies bis zur nächsten Landtagswahl 2016 anhalten wird.
Rot-Grün tröstet sich derzeit mit der Hoffnung, dass die CDU 2016 kein so großes Kapital mehr aus der Affäre schlagen kann wie bei der Wahl 2011. Damals hat die allein regierende SPD vor allem aufgrund der Ring-Affäre zehn Prozent der Stimmen verloren.
Umfragen deuten darauf hin, dass die meisten Bürger tatsächlich die Millionenverluste für den Steuerzahler am Ring abgehakt haben und der Affäre überdrüssig sind. Ministerpräsidentin Malu Dreyer genießt eine gleichbleibend hohe Beliebtheit beim Wahlvolk.
Ihre Partei, die SPD, hat bei den zurückliegenden Wahlen keine großen Einbrüche erlitten. Und die rot-grüne Regierungskoalition in Mainz hat nach wie vor in allen Befragungen eine Mehrheit.
Sollte die Affäre allerdings dadurch eine neue Wendung erhalten, dass aktuelle Regierungsmitglieder stolpern, könnte sich das Blatt schnell wenden.
f.giarra@volksfreund.de

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