Gordischer Knoten

Da mögen die Regierungspolitiker in Berlin noch so sehr beteuern, der aktuelle Gesetzentwurf sei noch nicht in Stein gemeißelt. Bei nicht einmal allzu genauer Betrachtung des umfangreichen Schriftwerkes muss der Eindruck entstehen, dass die wirklich guten Ansätze durch restriktive Vorgaben aus dem Finanzministerium zunichte gemacht werden.

Bereits im Vorwort steht da schwarz auf weiß, dass es zwar Ziel sei, insgesamt die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Noch im selben Satz steht aber auch, die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe müsse gebremst werden. Bessere Leistung für weniger Geld? Dieser gordische Knoten wird sich auch in den weiteren Beratungen bis zur endgültigen Gesetzgebung kaum lösen lassen.
Die Enttäuschung der Betroffenen ist nachvollziehbar. Denn sie waren vom Sozialministerium von Andrea Nahles nahezu vorbildlich an den langen Vorbereitungen beteiligt worden. Die Freude darüber ist blankem Entsetzen gewichen. Denn wenn dieser Entwurf zum Gesetzestext würde, hätten viele Behinderte sogar Verschlechterungen ihrer Lebenssituation zu erwarten.

Vor allem Schwerbehinderte, die persönliche Assistenz und gleichzeitig Hilfe zur Pflege benötigen, wären weiterhin zur Armut verdammt.

Es ist die Angst davor, die ergänzende Unterstützung für hohe Kosten, die nicht von der Pflegeversicherung gedeckt werden, generell aus der Sozialhilfe herauszunehmen. Denn das würde zusätzliche Milliarden kosten.
Dennoch muss es möglich sein, Sonderregelungen zu schaffen, die zumindest für die schwerbehinderten Menschen gelten, die bereits zu Beginn ihres Lebens auf solche Unterstützung angewiesen sind.

Wenn Menschen wie die Trierer Richterin Nancy Poser auch in Zukunft trotz ihres beruflichen Engagements kaum Eigentum und keine Altersvorsorge treffen können, weil sie nicht mehr als 2600 Euro besitzen dürfen, läuft weiterhin etwas falsch in unserem Sozialstaat. Frau Barley, Herr Kaster, ich nehme Sie beim Wort. Setzen Sie Ihr politisches Gewicht ein, damit das Teilhabegesetz hält, was sich alle davon erhoffen: weniger Bürokratie, vor allem aber mehr Chancen auf ein fast normales Leben für Behinderte.
r.neubert@volksfreund.de

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