Die Woche im Blick Prüfen Sie sich selbst!

Haben Sie Vorurteile? Sind Ihnen manche Menschen eher suspekt? Ruhig bleiben – Sie sind nicht alleine. Der Blick auf einen Mann, der gerne zuspitzt – und dafür Gründe hat.

Johannes Kram ist der Mann, der Guildo Horn groß gemacht hat. Kram ist Künstler. Er ist schwul und bekannt für seinen Nollendorf-Blog, in dem er nicht nur, aber immer wieder gegen Homophobie anschreibt. Er ist gebürtiger Trierer und seit kur–zem Buchautor. Und er ist jemand, der einem die Augen öffnet und – selbst wenn man nicht jede seiner Ansichten teilt – er ist jemand, der einen zum Nachdenken bringt.

Denn Kram, der am Donnerstag im voll gefüllten Kasino am Kornmarkt sein Buch „Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber ...“ vorgestellt hat, hat viele Talente: Er ist jemand, der unterhaltsam schreibt, aber zudem auch jemand, der selbstkritisch ist und nicht sofort die Schuldfrage stellt. „Ich bin homophob – und Sie sind es wahrscheinlich auch.“ So beginnt Kram sein Buch – und kommt damit auf das zu sprechen, was dafür sorgt, dass jeder von uns gewisse Vorurteile in sich trägt, die er mehr oder weniger auslebt: unsere Prägung, unser kulturelles Grundverständnis. Dieses können wir nicht einfach abschütteln, schreibt Kram – und wer sich kritisch hinterfragt, weiß, dass er recht hat.

Sind wir deswegen alle Homo-Hasser, Rassisten, Sexisten? Diese Pauschalisierung wäre mehr als übertrieben. Aber wir alle haben eben mehr oder weniger seltsame Ansichten, die uns anerzogen worden sind. Müssen wir nun jedes Wort auf die Goldwaage legen, wenn wir über bestimmte Menschengruppen reden? Auch das nicht. Aber selbstkritisch zu sein und die eigene Wortwahl doch ab und an zu überdenken, ist nicht zu viel verlangt.

Kram ist sicher streitbar, er provoziert gerne und spitzt zu. Er führt einen Kampf gegen „rechts“ – und pauschalisiert an dieser Stelle übrigens durchaus selbst immer wieder stark, teils zu stark. Es lohnt sich dennoch, ihm zuzuhören: Wenn er etwa darauf hinweist, dass Rassismus oder Homophobie kein „Privileg“ bestimmter politischer Gruppierungen ist und sich etwa ebenfalls bei Linksliberalen findet. Wer kategorisch Homophobie bei sich ausschließt, entgeht dann jeder Debatte über eigene Aussagen mit dem alles schlagenden Argument „Das könne nicht sein“.

Und was bleibt nun? Sich selbst jeden Tag kasteien für die Vorurteile? Lassen Sie es! Aber wer sich selbst kritisch überlegt, warum er welche Ansichten hat, wer selbst seine Kinder darauf hinweist, Schwuler oder Behinderter nicht als Schimpfwort zu verwenden, der ist schon einen Schritt weiter. Nicht auf dem Weg zum vollkommenen Menschen, versuchen Sie das bitte erst gar nicht. Aber auf dem Weg zu einem Menschen, der Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern als das annimmt, was sie ist: vollkommen normal!

t.roth@volksfreund.de

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