Politik Hart am Wind – nicht gekentert Auch die Angst hat die SPD zur Vernunft getrieben.

Dass das Ergebnis in Bonn so knapp war, kann für die SPD noch ein Segen sein. Und für die Union ein Fluch. Wenn auch nur ein, zwei größere Enttäuschungen aus SPD-Sicht dazu kommen, kann alles schnell wieder vorbei sein. Oder wenn ­Alexander Dobrindt noch ein, zwei Provokationen à la „Zwergenaufstand“ raushaut. Zwar wird die Union keine grundsätzlichen Positionen mehr aufgeben. Aber dank Kevin Kühnert und den anderen Rebellen kann die SPD sehr selbstbewusst verhandeln. Seht her, kann sie sagen, uns fällt diese Regierung schwer, unsere Basis will sie zu großen Teilen nicht, wir machen es aus staatspolitischer Verantwortung. Da muss schon was rausspringen für uns.

 Werner Kolhoff. Foto: Mathias Krohn, www.krohnfoto.de

Werner Kolhoff. Foto: Mathias Krohn, www.krohnfoto.de

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Hart am Wind segeln ist in der Politik richtig, nur darf man natürlich nicht havarieren. Dass die SPD in Bonn nicht gekentert ist, hat sie nicht ihrem Vorsitzenden Martin Schulz zu verdanken. Der hätte es fast vergeigt mit seinem Zickzackkurs und seinem Liebäugeln mit einem Ministeramt. Auch etliche Führungsleute, darunter einige Parteivizes haben nicht viel geholfen. Sie hatten nach den Sondierungen mit ihrem Gerede von Nachverhandlungen den Blick zunächst mal wieder auf das halb leere Glas gerichtet, statt auf das halb volle. Das ist eine spezifische Art vor allem der Linken in der SPD, mit Machtdurst umzugehen. Sie nehmen nicht das, was sie kriegen können, sondern warten lieber auf den ganz großen Wurf. Bis die Zeit an ihnen vorbeigelaufen ist.Es war gehöriger Druck von außen, der diesmal die Erkenntnis reifen ließ, dass Regierung nicht automatisch mit Selbstaufgabe einhergehen muss. Und dass ein Nein das pure innerparteiliche Chaos bedeutet hätte. Nicht zu reden von dem Chaos für das ganze Land.
Den Ausschlag gaben die Wortmeldungen der Gewerkschaften und der Altvorderen. Gab die Haltung jener Landesverbände, die noch an der Macht sind und sich Realismus bewahrt haben. Schließlich die Öffentlichkeit. Die letzte Umfrage vor der Entscheidung verhieß den Sozialdemokraten 18 Prozent. Bei einem Nein und Neuwahlen wäre das sicher nicht besser geworden. Auch die Angst trieb zur Vernunft.
Wenn hoffentlich bis Ostern alles vorbei ist, wenn die Regierung endlich steht, dann muss die Partei den Blick irgendwie nach vorn richten. Personell mit Andrea Nahles, die sich als die einzig Starke und Stabile in dieser Situation erwiesen hat. Martin Schulz ist nur noch ein Vorsitzender auf Abruf. Inhaltlich muss die SPD die nun gewonnene Zeit nutzen, ihr Profil zu schärfen.
Und zwar nicht nur wie bisher in innerparteilichen Veranstaltungen. Sondern diesmal auch in der Regierung. Angela Merkels Zeit läuft ab, ihre Macht zerrinnt – da geht doch was!

nachrichten.red@volksfreund.de

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