In der Hand der Verbraucher

Wenn Millionen Küken lebendig wie Altpapier geschreddert werden, wenn Enten in Ställen aufgespießt und Schweine noch lebend gebrüht werden, dann ist was faul in der landwirtschaftlichen Produktion. Nicht überall in Deutschland wird so mit den Mitgeschöpfen des Menschen verfahren.

Aber wirtschaftliche Interessen im Agrarbereich, Fahrlässigkeit oder nur die Lust an der Qual führen zu diesen entwürdigenden Auswüchsen. Vor allem in der Massentierhaltung.
Vielen Menschen ist in den letzten Jahren klar geworden, dass die Überflussgesellschaft oft zulasten von Tier und Natur geht. Hierzulande, aber mehr noch anderswo. Denn der Bedarf der reichen Länder wird in der Regel auf Kosten ärmerer Länder gedeckt. Dort wird zuallererst das produziert, was wir jederzeit und saisonunabhängig in den Regalen liegen haben möchten. Doch es gibt kein Recht auf Erdbeeren im Winter. Tomaten sollten endlich wieder nach Tomate, Kartoffeln nach Kartoffel schmecken. Soll heißen: Qualität hat ihre Zeit und ihren Preis.
Immer mehr Verbraucher ändern jetzt ihre Einstellungen. Das belegen die jüngsten Umfragen im Vorfeld der Grünen Woche, die in Berlin begonnen hat. Für zahlreiche Konsumenten sind die politischen Positionen zu Tierschutz, gesunder Ernährung und Lebensmittelproduktion sogar schon wahlentscheidend. Langsam, aber sicher, setzt sich diese Erkenntnis auch in den Parteien durch, die sich zunehmend gegen Agrar- und Tierfabriken wenden und die Folgen der industrialisierten Landwirtschaft auch für die Gesundheit der Bürger in den Blick nehmen. Selbst die Union ist programmatisch inzwischen so weit. Zu viel erwarten darf man jedoch nicht.
Politische Veränderungen sind gegen die Landwirtschaft und die mächtige Lebensmittelindustrie schwer durchsetzbar. Sie müssen mit ihnen stattfinden. Außerdem agiert der Agrar- und Ernährungsbereich bei den gesetzlichen Vorgaben eingeengt zwischen Berlin und Brüssel. Das macht ihn zugleich so anfällig. Die Unübersichtlichkeit des innereuropäischen und weltweiten Handels ist eine zentrale Ursache für zahlreiche Lebensmittelskandale der Vergangenheit. Konkret helfen können nur mehr Kontrollen und eine einfachere Rückverfolgung der Produktionskette.
Das internationale Dickicht in der Lebensmittelherstellung wird mit diesen Maßnahmen allein freilich nicht durchschlagen werden. Es klingt banal, aber es ist so: Der Verbraucher hat es in der Hand. Er kann durch kluge Kaufentscheidungen Einfluss nehmen und so die Rückkehr zur Regionalisierung der Landwirtschaft vorantreiben. In den Regionen, Kaufregalen und Küchen liegt der Schlüssel für eine artgerechtere und verantwortungsvollere Produktion. Im Interesse der Menschen und damit auch der Tiere und der Natur.
nachrichten.red@volksfreund.de

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