Die Woche im Blick Inflation hoch, Zinsen nicht - warum die EZB ein gefährliches Spiel eingeht

Meinung · Die Inflation in Deutschland liegt über fünf Prozent. Während die Zentralbanken in den USA und Großbritannien die Zinsen erhöhen, schließt die EZB diese Kurs für 2022 aus. Warum das gefährlich ist.

Inflation steigt, die EZB hebt Zinsen nicht an. Die unterschätzte Gefahr
Foto: TV/Friedemann Vetter

Mehr als fünf Prozent beträgt die Inflationsrate in Deutschland. Nicht nur gefühlt wird alles teurer. Und die Corona-Pandemie treibt durch die Verknappung vieler Waren die Preise. Wer zurzeit ein Fahrrad oder Elektronikartikel bestellen möchte, braucht sogar vor allem eines: Geduld. Die Zeit für Schnäppchen war einmal. Zugegeben: Die Geiz-ist-geil-Mentalität ist schon immer gefährlich gewesen, gerade mit dem Blick auf die Arbeit, die dahintersteckt. Die steigenden Preise für Energie, Lebensmittel und Wohnen treffen aber jene, die sowieso schon mit ihrem Geld haushalten müssen. Heizen kann eben nicht verschoben werden. In solch einer Phase gab es früher eine Reaktion der Zentralbanken: Sie erhöhten die Zinsen, um diese Spirale zu stoppen.

Um so verwunderlicher ist es, dass Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Zinserhöhungen für das gesamte nächste Jahr praktisch ausgeschlossen hat. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Und eines, das gerade viele Deutsche ärgert. Wir sind immer noch das Land der Sparer. Und jeder, der auf dem Sparbuch oder in ähnlichen Anlagen Geld parkt, kann beobachten, wie das Vermögen schrumpft. Ja, es stimmt: Es gibt für die Zurückhaltung der EZB Argumente, gerade mit Blick auf Probleme bei Lieferketten, die sich nicht durch Zinsen beeinflussen lassen. Die pauschale Aussage für 2022 lässt aber Zweifel aufkommen, ob die Französin Lagarde wirklich alle Länder genauso im Blick hat. Während die südeuropäischen Länder mit der EZB-Politik gut leben können – vielleicht nur so sicher überleben können – sieht es in Deutschland oder Österreich, vor allem aber im Baltikum ganz anders aus. Der Geburtsfehler des Euro war, sehr unterschiedliche Länder mit einem einzigen Maßstab behandeln zu wollen. Und dieser setzt sich fort. Weil die oberste Währungshüterin stark auf einer Seite verharrt, kann Ruhe sogar zu Unruhe führen. Es drohen nicht nur an Finanzmärkten Verwerfungen. Das Wachstum mancher Euroländer ist stärker als das anderer mit niedrigen Zinsen erkauft – ob das die anderen mittragen wollen, bleibt abzuwarten.

t.roth@volksfreund.de

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