Karlsruhe kontra Kungelei

Kungelrunden gehören scheinbar so selbstverständlich zur Politik wie der Schnee zum Winter. Für den einfachen Abgeordneten ist das nicht unbedingt immer vergnügungssteuerpflichtig.

Wenn zum Beispiel der in keinem Gesetz enthaltene Koalitionsausschuss einsame Beschlüsse fasst, dann dürfen die Parlamentarier der Regierungsparteien dafür später nur noch die Hand heben. Auch der sogenannte Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag hat mit den klassischen demokratischen Gepflogenheiten wenig zu tun. Nicht selten werden dort völlig sachfremde Vorgänge zu einem Kompromiss verknüpft, der vielen Abgeordneten die Haare zu Berge stehen lässt.
Umso verdienstvoller ist es, dass zwei von ihnen gegen die Verlagerung von Entscheidungen in Kleinstgremien vor dem Bundesverfassungsgericht aufbegehrt haben. Und das mit Erfolg. Zumindest bei den Rettungshilfen für angeschlagene Euro-Länder wird es für die Bundesregierung künftig schwerer werden, an der Masse der Abgeordneten vorbeizuhandeln.
Damit setzen die Karlsruher Richter ein klares Zeichen gegen die Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie, für die Stärkung der Abgeordnetenrechte.
Einen Dämpfer hat dagegen Angela Merkel bekommen. Sie ringt ohnehin schon mit dem Unbehagen in den eigenen Reihen über immer neue Milliarden-Hilfen.
Karlsruhe hat nun klargestellt, dass in der Regel alle Bundestagsabgeordneten erfahren müssen, was vor diesem Hintergrund mit deutschen Steuergeldern geschieht. Die Kanzlerin wird hier in Zukunft also noch deutlich mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Trotzdem sollte sich niemand Illusionen machen. In einer scheinbar immer komplizierter werdenden Welt vermag auch der fleißigste Volksvertreter nicht alle Zusammenhänge sämtlicher Lebensbereiche bis ins letzte Detail zu durchschauen. Ein guter Verkehrspolitiker kennt sich noch lange nicht gut im Gesundheitsbereich aus, obwohl er auch über solche Vorlagen im Bundestag abstimmen muss. Für das Thema Schuldenkrise gilt diese eingeschränkte Kompetenz in ganz besonderem Maße. Über Lösungen streiten hier selbst ausgewiesene Wirtschaftswissenschaftler.
Bei vielen Themen müssen sich die Abgeordneten daher auf die Kompetenz ihrer Fachkollegen im Parlament verlassen. Von Ohnmacht kann trotzdem nicht die Rede sein. An dieser Praxis ist nichts Schlimmes, so lange sich die Damen und Herren Volksvertreter am Ende selbst eine Meinung bilden und ihre Abstimmung vor dem eigenen Gewissen verantworten können. Auf diese eigene Meinung, auf ihr Gewissen, dürfen sie künftig stärker bestehen.
Das ist die Botschaft des Karlsruher Urteils.

nachrichten.red@volksfreund.de

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