Keimzelle der Demokratie

Als vor ein paar Jahren die Diskussionen über eine Kommunalreform in Rheinland-Pfalz begannen, gab es in einem Punkt Einigkeit: Man wollte über Verbandsgemeinden, Kreise und Mittelbehörden reden. Aber die Ortsgemeinden sollten tabu bleiben.

Als Keimzelle der Demokratie, wie es der damalige Ministerpräsident Kurt Beck gerne formulierte.
Nun scheint sich die Keimzelle zunehmend selbst das Wasser abzugraben. Es ist nicht gut, wenn in jedem dritten Dorf kein Kandidat für das Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters zu finden ist. Auch wenn sich dann doch noch mal der eine oder andere breitschlagen lässt, der zunächst keine Lust hatte, sich dem Bürgervotum zu stellen.
Es kann auch nicht Sinn der Sache sein, dass nur noch rüstige Rentner oder öffentlich Bedienstete mit großzügiger Freistellung die Zeit für den Selbstverwaltungs-Job aufbringen können. Dann stimmt etwas mit der Organisation nicht.
Aber die meisten Probleme sind nicht hausgemacht. Man hat den Entscheidern vor Ort - und das ist klassischerweise der Bürgermeister - per Umlage den Hahn abgedreht, und wenn es noch Geld gibt, dann reden die Aufsichtsbehörden bei Entscheidungen so viel drein, dass man es lieber gleich sein lässt.
Dazu kommt sicher auch, dass die an Formalitäten orientierten Abläufe der offiziellen Ratsarbeit jeden kreativen Menschen zur Verzweiflung treiben können. In vielen Gemeinden florieren Selbsthilfe-Initiativen, Verschönerungs-Projekte, Vereine. Da, wie es der kluge Soziologie-Professor von der Uni Trier formuliert, wo sich die kommunale Arbeit an der Lebenswirklichkeit der Bürger orientiert. Und am praktischen Erfolg. Von beidem sind Kommunalparlamente mit ihren häufig parteipolitisch motivierten Streitereien oft meilenweit entfernt.
Man sollte sich nicht täuschen: Das System der vielen kleinen Kommunen steht, allen scheinbaren Garantien zum Trotz, auf dem Prüfstand - schon im Zeichen der Demografie. Ob die Strukturen erhalten bleiben, hängt entscheidend davon ab, inwieweit die Bürger sie mit Leben erfüllen.
Dabei muss man ja nicht immer nur im konventionellen Rahmen denken. Warum kein Job-Sharing im Bürgermeister-Amt? Warum keine Entbürokratisierung der Entscheidungsprozesse? Warum kein Ausprobieren neuer Beteiligungsformen in einem lebendigen Dorf-Organismus? Der Versuch würde sich allemal lohnen.
d.lintz@volksfreund.de

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