Kein Hauruck-Präsident

Emmanuel Macron hat mit seinem Auftritt im Schloss Versailles viel gewagt. Schon sechs Wochen nach der Wahl die beiden Kammern des Parlaments für eine Grundsatzrede einzuberufen war mutig.

 Christine Longin

Christine Longin

Foto: Redaktion

Es war allerdings auch notwendig, denn die Franzosen wollten wissen, wohin der Präsident sie führen will. Doch ist die pädagogische Lehrstunde gelungen? Macron hat mit seinem teilweise abgehobenen Vortrag die Mehrheit der Franzosen sicher nicht erreicht. Die hatten sich von der Grundsatzrede vor allem konkrete Maßnahmen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit erhofft. Doch die geplante Arbeitsrechtsreform erwähnte der Staatschef nur kurz. Details überlässt er seinem Regierungschef Edouard Philippe, der heute vor der Nationalversammlung spricht. Die Reform des Parlaments, die Einführung des Verhältniswahlrechts und die Abschaffung des Gerichtshofes der Republik sind Dinge, die in die richtige Richtung gehen. Doch am Alltag der Franzosen ändern sie nichts. Macron will ein Präsident sein, der Distanz wahrt. Der über den Dingen thront wie einst Jupiter, der Göttervater der alten Römer. Aber irgendwann muss auch Macron vom Olymp herabsteigen und sich die Hände schmutzig machen, eine Blut-Schweiß-Tränen-Rede halten, in der er den Franzosen reinen Wein einschenkt. Ihnen die harten Reformen erklärt, die auf sie zukommen. Ähnlich wie Gerhard Schröder das 2003 getan hat. Es hat ihn das Amt gekostet, aber es hat Deutschland vorangebracht. Die Hauruck-Ansprache muss Macron erst noch halten. nachrichten.red@volksfreund.de

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