Klartext statt Wortgirlanden

Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, sagt der Volksmund. So gesehen ist die SPD nach ihrem krachenden Wahlabsturz nun wenigstens einen Schritt weiter.

Wo sonst politische Wortgirlanden den Blick auf wahre Zustände trüben, hat der angehende Parteichef Sigmar Gabriel schonungslos Klartext geredet. Zwar nur in einer E-Mail an besorgte SPD-Mitglieder. Aber die Botschaft dürfte sich auch im großen Rest der verunsicherten Basis verbreiten.

Ihr spricht Gabriel garantiert aus der Seele, wenn er feststellt, dass die Partei erst einmal die eigenen Leute überzeugen muss, bevor sich ihre Führung zu anderen politischen Ufern - erinnert sei nur an die Agenda 2010 - aufmacht. In der kürzlich veröffentlichten Sicht des Noch-Vorsitzenden Franz Müntefering war noch der SPD-Renegat Oskar Lafontaine für alles verantwortlich, was den Sozialdemokraten Böses widerfahren ist. Ein intellektuelles Armutszeugnis.

Wenn Gabriel jetzt mit dem inneren Zustand der Partei "in den letzten 20 Jahren" abrechnet, dann sind damit nicht weniger als acht verschiedene SPD-Vorsitzende gemeint. Müntefering inbegriffen. So kann es auch kein Zufall sein, dass Gabriels Philippika just an dem Tag für erste Schlagzeilen sorgte, an dem die SPD-Bundestagsfraktion ihre Führungsmannschaft neu bestimmen sollte. Von deren Chef Frank-Walter Steinmeier stammt der Satz, dass die Fraktion zum Kraftzentrum der SPD werden müsse. Aber gerade dort ist die Partei in verschiedene Flügel gespalten. Bevor die Sozialdemokraten an die Zukunft denken, müssen sie sich der Vergangenheit stellen. Gabriel hat damit eigentlich nur eine Binsenweisheit angesprochen. Die Zukunft wird zeigen, ob die SPD daraus lernt.

nachrichten.red@volksfreund.de

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