Der Kampf gegen den Klimawandel Kommentar: Warum radikale Klima-Aktivisten die Gesellschaft angreifen

Radikal diskutieren, nicht radikal protestieren. Der Klimawandel ist eines der wichtigsten Themen und muss auf der politischen Agenda weit oben stehen. Doch radikale Aktivisten gefährden die Gesellschaft und schaffen neue Probleme.

 Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ fallen mit radikalen Aktionen auf. Hier stehen Einsatzkräfte neben sichergestellten Feuerlöschern vor der Parteizentrale der FDP, deren Fassade besprüht worden ist.

Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ fallen mit radikalen Aktionen auf. Hier stehen Einsatzkräfte neben sichergestellten Feuerlöschern vor der Parteizentrale der FDP, deren Fassade besprüht worden ist.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

In dieser Woche haben es Aktionen radikaler Klima-Aktivisten wieder in die Schlagzeilen geschafft. Nach einem Unfall in Berlin stand ein Rettungsfahrzeug im Stau, der durch Proteste der Gruppe „Letzte Generation“ ausgelöst worden sein soll. Mittlerweile ist die verletzte Radfahrerin für tot erklärt worden.

Bei der Diskussion über diesen und andere Vorfälle gibt es verschiedene Dimensionen. Zunächst einmal die juristische, die in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich andere beurteilen sollten. Es ist allerdings schlichtweg – so hart es klingt – noch nicht sicher, ob der Stau und mögliche Folgen die Behandlung wirklich beeinflusst haben. Dies ist übrigens in vielen anderen Fällen ebenfalls heikel: Wie sieht es mit Falschparkern aus? Wie mit Menschen, die keine Rettungsgassen bilden? Dies ist keinesfalls eine Verteidigung der Aktion. Es zeigt aber, wie schwer es ist, solche Zusammenhänge nachzuweisen und etwa strafrechtlich zu verfolgen.

Es gibt aber noch weitere Dimensionen in diesem Fall: moralische und selbst demokratietheoretische. Zunächst zur ersten: Natürlich gibt es Aktionen, die andere ebenfalls betreffen. Demonstrationen etwa schränken oft die Bewegungsfreiheit anderer ein. Alleine: In diesem Fall handelt es sich um vorsätzliche Aktionen, die vor allem für eines sorgen sollen: Aufmerksamkeit ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Es ist schlichtweg inakzeptabel, die eigene Meinung so wichtig zu nehmen, dass nahezu jedes Mittel recht sein soll. Kleiner Nebenaspekt: Warum etwa der Angriff auf Kunstwerke ebenfalls eine beliebte Aktion bei radikalen Klima-Aktivisten ist und welche Zusammenhänge hier bestehen sollen, können wohl nur die Störer selbst sich erklären. Für viele Menschen schöne und wichtige Dinge anzugehen, ist wie vieles andere schlichtweg nicht akzeptabel, nicht nur aus juristischer Sicht.

Alt-Bundespräsident Christian Wulff sagte uns vor seiner Rede in der Trierer Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf im Interview, dass er sich darüber ärgert, wenn Menschen radikal agierten, weil sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit fühlten (hier finden Sie das ausführliche Interview). Ich würde sogar noch weiter gehen: Wenn Radikale ihre Aktionen so begründen, gefährden sie unsere demokratische Gesellschaft. Der Ruf nach schnellem Handeln ohne Diskurs und ohne Konsens in der Gesellschaft und auf politischer Ebene führt zu einem Handeln, das in vielen Fällen nicht legal und ganz sicher nicht legitim ist. Um es zuzuspitzen: Mit ähnlichen Begründungen könnte selbst eine Diktatur eingeführt werden oder die Anarchie ausbrechen, immer mit Verweis auf die hehren Motive. Die Rechte der einzelnen Bürgerinnen und Bürger wären nicht mehr viel wert, wenn es um das angeblich Gute an sich geht. Spätestens dies macht klar: Es ist wichtig, möglichst vielen Meinungen eine Bühne zu bieten, aber eben dann auch über verschiedene Ansichten zu diskutieren und einen Kompromiss zu finden – und nicht anderen die eigene Meinung aufzudrängen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende mit ertragreichen Gesprächen und eventuell auch Diskussionen!

 t.roth@volksfreund.de

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