Die Woche im Blick Klimawandel – und der Druck der Wissenschaft

Aus der Warmzeit wird eine Heißzeit, aus Szenarien der sichere Untergang. Die aktuelle Debatte zum Klimawandel blendet Unsicherheiten aus.

 Chefredakteur Thomas Roth

Chefredakteur Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Das Klima wandelt sich, die Erde erwärmt sich – das ist unter nahezu allen Experten unbestritten. So viel einmal zum Sicheren. Aber, vieles bleibt unwägbar: Die Frage, wie stark die Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten, Jahrhunderten, Jahrtausenden in verschiedenen Konstellationen sein könnte, ist etwa eine höchst umstrittene. Noch strittiger wird die Debatte, wenn es darum geht, wie groß der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel ist. Wobei auch hier eines ebensfalls Konsens unter Experten ist: Er ist vorhanden, etwa durch den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid. Nur gehen die Aussagen von nahezu vernachlässigbar bis zu am Ende entscheidend.

Aber naht nun unabwendbar eine Heißzeit, wenn sich die Menscheit nicht sofort um 180 Grad wendet? Das zumindest ist der Tenor, den viele aus den neuen Veröffentlichungen des Potsdam-Instituts für Klimaforschung lesen und der von dort aus sicherlich ebenfalls gewünscht ist. Denn soviel gehört zur Ehrlichkeit: Die Potsdamer Forscher haben eine klare Haltung – und eine klare Erwartung: Sie fordern schnellstmöglich eine Energie- und Mobilitätswende, die über alles hinausgeht, was wir bisher unter diesem Begriff kennen. Und sie sind – das darf man genauso offen ansprechen – in einer Art politischen Mission unterwegs, obwohl sie eben keine gewählten Politiker sind. Deswegen wird manche wissenschaftliche Unsicherheit nur am Rande erwähnt. Es wird das Katastrophenszenario voll ausgespielt. Übrigens ist so aus dem Begriff Warmzeit nun der Begriff Heißzeit geworden – beides sind die gleichen Ansätze, letzterer klingt nur bedrohlicher.

Und zugegeben, auch wir Journalisten verstärken oft diesen Effekt noch. Wir müssen dennoch nicht jeden Verschwörungstheoretiker zu Wort kommen lassen, um die gesamte Diskussion aufzuzeigen. Wir müssen weiter eindeutig ansprechen, wenn Skeptiker des Klimawandels, wie US-Präsident Donald Trump, nicht den Unterschied zwischen Wetter (kurzfristig!) und Klima (langfristig!) kennen und mit einzelnen Effekten die übereinstimmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse als Fake News überführen wollen.

Aber wir sollten die Unsicherheiten über die genannten Auswirkungen und Auswüchse des Klimawandels ebenso deutlich erwähnen, etwa die sich jährlich ändernden Prognosen über den Anstieg der Meere – mit dem Hinweis, dass manche der Szenarien Jahrtausende im Blick haben. Und wir müssen es benennen, wenn andere anerkannte Klimaexperten die Potsdamer Veröffentlichung angreifen. So sprach etwa Reto Knutti von der TH Zürich von einer „recht unkonkreten“ Synthese vieler Einzelstudien, von vagen Annahmen zu den sogenannten Kipp-Punkten, an denen sich der Klimawandel fast wie aus sich selbst verstärken solle.

Das ist übrigens kein Plädoyer dafür, einfach so weiterzumachen wie bisher. Es ist in jeder Hinsicht sinnvoll, etwa Eingriffe in die Natur zu reduzieren. Es ist sinnvoll, sich über die Zukunft unserer Mobilität Gedanken zu machen. Es ist sinnvoll, darüber nachzudenken, wie die Landwirtschaft sich auf das wandelnde Klima einstellen kann. Ganz nebenbei: Alles nur noch unter dem Überbegriff Bio umzubauen, wird nicht die Lösung sein können, zumindest nicht global. Die gerade bei uns vollkommen verpönte Gentechnik kann etwa eine wichtige Rolle spielen, um die Ernährung der Menscheit zu sichern – hier hat es die Wissenschaft übrigens mit ihren Argumenten viel schwerer durchzudringen.

All diese Veränderungen sind sinnvoll, sie müssen aber aus einer gesellschaftlichen Perspektive politisch entschieden werden. Um den Druck auf Politik zu erhöhen, aber jegliche andere Meinung auszublenden, ist unredlich.

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