Kommentar: Deutschland verliert den Superstar

Das war sicher die eindrucksvollste Rücktrittserklärung, die man je gehört hat. Es war die Erklärung eines Mannes, der noch im Abgang beanspruchte, moralische Maßstäbe zu setzen.

Der auch künftig in vollen Sälen beklatscht werden will von jenen, die verzweifelt nur diese Seite des Karl-Theodor zu Guttenberg sehen wollen.

Aber der 39-jährige CSU-Politiker fand wieder kein Wort der Scham für die plagiierte Doktorarbeit, kein Wort über seine Motive. Er zeigte auch keine Reue wegen des langen Leugnens. Er habe zuerst noch die drei in Afghanistan getöteten Soldaten anständig beerdigen wollen, meinte der Minister, und instrumentalisierte damit erneut ihren Tod für seine Ausflüchte. Die "enorme Wucht der medialen Betrachtung" sei schuld, dass er weiche, sagte er. Es kommen einem die Tränen.

Erstens war es vor allem die wissenschaftliche Betrachtung, die seine Arbeit als Versuch der Erschleichung eines Doktortitels mittels eines ganz banalen Plagiats enthüllte. Und was die mediale Betrachtung angeht, so hat sich Guttenberg samt Gattin bisher in ihr regelrecht gesonnt.

Die Rücktrittserklärung zeigt, dass sich bei Guttenberg die Eigenwahrnehmung längst abgekoppelt hat von der Wirklichkeit, auch von der Lächerlichkeit, in die er sich seit einer Woche objektiv begeben hatte.

Es stürzt keiner, wenn die Partei nicht will. Und die Partei will nicht. Das hat CSU-Chef Horst Seehofer vor einer Woche gesagt. Es stimmte damals, als der Minister blieb. Und so stimmt auch jetzt, da er geht, der Umkehrschluss. Die Partei wollte es so.

Immer offener mehrten sich in der Union die Stimmen der Distanz. Das Bewusstsein wuchs, dass man einem aufgesessen war, der seine Karriere mit einer Täuschung begonnen hatte. Seiner Glaubwürdigkeit beraubt, wirkte dieser mögliche künftige Kanzler plötzlich nackt wie der Kaiser ohne Kleider.

Zuletzt war er vielen nur noch peinlich.

Für Angela Merkel ist der Vorgang ein Desaster. Denn Guttenberg war ja nicht irgendwer, er war der Star ihres Kabinetts. So einer fehlt nun. Und die Kanzlerin persönlich hat bis zuletzt zu ihm gehalten. Das schützt sie jetzt zwar vor Dolchstoßlegenden aus der CSU, bei vielen Bürgern aber steht sie als Zauderin da, als eine, die Werte wie Anstand und Ehrlichkeit im Zweifel der tagespolitischen Opportunität opfert. Auch das Image der Kanzlerin hat in dieser Affäre gelitten.

Merkels zweites Problem sind die Unwägbarkeiten der Nachbesetzung. Die Personaldecke der Union ist nach all den Abgängen in den Ländern inzwischen hauchdünn, die der CSU noch mehr. Wenn Merkel jetzt an einer Stelle Löcher stopft, wird sie anderswo neue reißen. All das wird den Bürgern nun bewusst, auch jenen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, die unmittelbar vor wichtigen Landtagswahlen stehen. Dabei ist die Stimmung dort ohnehin schon schwierig genug.

nachrichten.red@volksfreund.de

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