Kommentar: Die "stille Reserve" soll's richten

Trier · Offiziell will niemand von einem personellen Pflegenotstand sprechen, auch wenn in allen Statistiken die Tendenz klar zu erkennen ist, die zunehmend für sehr viele Fachberufe gilt: Die Zahl der unbesetzten Stellen steigt. Angesichts der sich verändernden Altersstruktur der Bevölkerung ist das kein Wunder.

Aber auch die medizinischen Fortschritte tragen erheblich dazu bei, dass Pflegeberufe absehbar zukunftssicher sind. Die Menschen werden immer älter. Zwar bleiben sie dabei häufig länger fit. Ganz ohne fremde pflegerische Hilfe wird ein 90-jähriger Mensch aber auch in Zukunft kaum auskommen.
Dramatisch ist die Situation für den relativ kleinen, aber deshalb nicht weniger wichtigen Bereich der Intensivpflege, in dem zusätzliche und hoch qualifizierte Fachkräfte unverzichtbar sind. Bereits heute können die entsprechend ausgebildeten Damen - Männer sind in diesem Metier nach wie vor die Ausnahme - in der Regel unter mehreren Stellenangeboten wählen.
Wenn es aber um die häusliche Intensivpflege von Kindern geht, lässt sich beim Blick auf den Arbeitsmarkt ohne Übertreibung von einer Katastrophe sprechen. Die von der Landesregierung aktiv betriebene Inklusion - Menschen mit Beeinträchtigungen soll die Teilhabe an allen Bereichen des öffentlichen Lebens ermöglicht werden - ist zwar eine gute Sache. Noch zu wenig oder gar nicht bedacht wird dabei allerdings, dass im Pflegebereich zusätzliche Konkurrenz die Situation verschärft.
Immer mehr integrative Kindergärten benötigen nicht nur mehr gute Erzieherinnen. Immer häufiger werden dort auch Pflegekräfte angestellt. Ein großes Thema ist das auch in Luxemburg, wo zudem deutlich höhere Nettoeinkommen die Fachkräfte aus der Region locken.
Höhere Gehälter für Pflegekräfte in Rheinland-Pfalz - das wäre sicher eine Möglichkeit, um Fachkräfte zu binden. Es wäre auch eine Chance, um den Beruf Pflege für Jugendliche attraktiver zu machen. Angesichts der Tarifautonomie bei den Tarifvertragsparteien und Krankenkassen sind die Einflussmöglichkeiten der Politik allerdings gering. Nicht viel ändern wird sich aber allein mit einer Charmeoffensive für die Pflegeberufe.
Gut ist die Idee, über Förderprogramme wie "MobiPro - the job of my life" junge Menschen aus Europa für eine Ausbildung in Deutschland zu begeistern. Mehr als peinlich ist es allerdings, dass dieses Anfang 2013 gestartete Programm des Bundes bereits ein Jahr später gestoppt wurde, weil die maximale Förderzahl von 9000 Personen erfüllt war.
Was konkret und kurzfristig wirklich helfen kann, ist die "stille Reserve" der Fachkräfte, die nach einer familiären Auszeit den Wiedereinstieg in den Berufsalltag planen. Nie war die Gelegenheit für Pflegekräfte so günstig, ihre Traumstelle und die dazugehörigen Fortbildungen zu bekommen.
r.neubert@volksfreund.de

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