Kommentar: Fußball, sonst nichts

Weinende Männer in kurzen Hosen, die in Schockstarre auf dem Rasen liegen. Krawattenträger auf der Tribüne, die mit Leichenbittermiene ins Nichts stieren. Schluchzende Schlachtenbummler, die geknickt von dannen schleichen. Der FC Bayern hat ein Fußballspiel verloren. DAS Spiel. Wer noch Worte findet, bemüht große Vokabeln.

Von zerstörten Lebensträumen ist die Rede. Von Schicksal. Tragödie. Fluch. Mia san mia … gewesen. Nach dem zweiten Platz in der Meisterschaft, nach dem zweiten Platz im Pokalwettbewerb nun der zweite Platz in Europa. Gefühlt: der Untergang eines Imperiums.

Bilder von ungewöhnlicher emotionaler Wucht, die ins Herz treffen. In das der Münchner Fans sowieso. Die aber auch jene berühren, die den Bayern sonst gerne mal die Lederhosen auszieh\'n. So viel Hoffen, so viel Bangen in diesen neunzig Minuten plus Verlängerung plus Elfmeterschießen. So viel Unmut über den Egozocker Robben. So viel Mitgefühl mit Schweinsteiger, der im alles entscheidenden Augenblick anläuft, verzögert, verdaddelt. So viel Ärger über Gomez, den Chancentod. So viel Rätseln über die Taktik von Heynckes, der … ach, was soll\'s. Wäre. Hätte. Könnte.

So ist Sport. Alles ist möglich. Das macht die Magie des Spiels aus. Die Faszination. Die unvergesslichen Momente. Mal Welttheater, mal Schmierenkomödie. Mal große Oper, mal seichter Schlager. Mal klassisches Drama, mal trivialer Schund. Was anderes als Fußball bringt in einer lauen Samstagnacht kurz vor der Geisterstunde in Deutschland zwanzig Millionen Menschen dazu, wie aus einer Kehle zu schreien: Neeeeiiiiinnnn!!!

Diesmal haben die anderen gewonnen, die Blauen vom Milliardärsclub FC Chelsea. Sie waren ein bisschen wagemutiger, ein bisschen cooler, ein bisschen willensstärker (Drogba!). Die Tränen werden trocknen. Martin Walser, der Schriftsteller, hat einmal gesagt: Sinnloser als Fußball ist ja nur noch eins: Nachdenken über Fußball. Lassen wir das mit dem Nachdenken. Und freuen uns auf die Europameisterschaft! p.reinhart@volksfreund.de

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